Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
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Der Glanz des Familiennamens
Mit dem Aufstieg des Bruders und dem Kontakt zu den Gästen interessiert sich Alois mehr für Politik als in der Vergangenheit. Seinen Sohn, Adolfs Neffen Heinzi, schickt Alois auf die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) in Ballenstedt im Harz, eine der Eliteschulen für den Parteinachwuchs. Dort wird der Bub auf Kruppstahl getrimmt, getreu Hitlers Erziehungsidealen: »Der Junge, der in Sport und Turnen zu einer eisernen Abhärtung gebracht wird, unterliegt dem Bedürfnis sinnlicher Befriedigungen weniger als der ausschließlich mit geistiger Kost gefütterte Stubenhocker. Eine vernünftige Erziehung aber hat dies zu berücksichtigen … So muß die ganze Erziehung darauf eingestellt werden, die freie Zeit des Jungen zu einer nützlichen Ertüchtigung seines Körpers zu verwenden. Er hat kein Recht, in diesen Jahren müßig herumzulungern, Straßen und Kinos unsicher zu machen, sondern soll nach seinem sonstigen Tageswerk den jungen Leib stählen und hart machen, auf daß ihn dereinst auch das Leben nicht zu weich finden möge.« 152
Eigentlich seltsam, wenn man bedenkt, wie Hitlers eigene Jugend ausgesehen hat. Müßiggang mit Opernbesuchen, musischem und künstlerischem Herumdilettieren und schöngeistiger Lektüre, wie ihn Adolf selbst als sein Geburtsrecht ansah, lässt man den Kindern dort jedenfalls nicht angedeihen:
»15 Stunden Programm von 5.30 Uhr bis 21 Uhr: Wecken, Waschen und Anziehen, Flaggenparade (ein Lied!), Abmarsch zum Frühstück (ein Lied!), Abmarsch zum Unterricht (ein Lied!), fünf Stunden Unterricht, Abmarsch zum Mittagessen (ein Lied!). Mittagessen, Verteilung der Post (einmal am Tag privat sein dürfen), Bettruhe (unter Bewachung), Dienst nach Vorschrift, Kaffeebrot, Hausaufgaben (unter Aufsicht des Gruppenführers), Abmarsch zum Abendessen (ein Lied!), Abendessen, Dienst nach Vorschrift, Nachtruhe.« Ein straffes Programm mit durchschlagendem Erfolg, wie ein ehemaliger NS-Eliteschüler der Napola berichtet: »Auf den Führer Adolf Hitler fixiert, angefüllt mit überheblichem Überlegenheitsgefühl, vergaßen wir die entwürdigenden Strapazen der Bevormundung, die Glättung der Persönlichkeit, den Drill: wir befanden uns in einer Art mythischem Dämmerungszustand, empfanden die Indoktrinationen und die Verblödungsanstrengungen als notwendig und völlig gerecht: als einen Tribut für die Segnung des Auserwähltseins … Aus Erniedrigung und persönlicher Niederlage erwuchs nun plötzlich ein neues Selbstwertgefühl, wobei der Wert der Persönlichkeit Adolf Hitlers festgelegt war: Du bist nichts, dein Volk ist alles.« 153 Der Familientradition folgend, bleiben auch Heinzis schulische Erfolge mittelmäßig.
Ein weiterer Vorteil des Jobs im »Weinhaus Huth« ist: Alois bekommt den Aufstieg seines berühmten Bruders hautnah mit, Hitler ist Dauerthema an den Speisetischen. Nach der Machtübernahme 1933 überfluten die braunen Aufsteiger das ehrwürdige Restaurant, aus den Ministerien, der SA, der Gestapo, der Reichskanzlei, viele Dienststellen und nur wenige Schritte entfernt. Statt den Präsidenten des Preußischen Staatsrats Konrad Adenauer bedient Alois nun Nazi-Größen wie Ernst Röhm oder Heinrich Himmler. Nur Eigentümer Willy Huth mag sich nicht mit den neuen Herren Berlins arrangieren und hat als treuer Anhänger der Monarchie Bilder von Bismarck und vom Kronprinzen an den Wänden hängen. Eines Tages erscheint Walter Darré, Reichsbauernführer der Nazis, blickt sich um, fängt prompt zu brüllen an und wünscht Huth zu sprechen: »Was erlauben Sie sich!« Grund: In keinem der Räume hängt ein Hitlerbild.
Obwohl der kleine Bruder so nah ist, bleibt er dem »Weinhaus Huth« und Alois geflissentlich fern. Der Kellner mit dem berühmten Namen hat das Gefühl, bei all den NS-Größen, die er täglich um sich hat, selbst zu wenig von den verwandtschaftlichen Beziehungen zu profitieren. Dass er zur Hitler-Familie gehört, wissen nur die Angestellten und wenige Gäste, für die meisten ist er schlicht ein namenloses Gesicht, das Teller abräumt und Wein in die Gläser nachschenkt. Und das große Geld ist damit sowieso nicht zu verdienen. Alois Hitler verfällt auf die naheliegende Lösung: Er macht sich wieder selbstständig.
Sein erstes Unternehmen in der Leonhardtstraße, 100 Meter vom Charlottenburger Bahnhof entfernt, ist eine Weinhandlung und eine Kneipe, in der es Riesling, Bier und Buletten gibt. In der
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