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Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers

Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers

Titel: Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zdral
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unterminieren sie doch die Grundpfeiler seiner Rassenhetze: ein Antisemit, der selbst jüdische Ahnen hat – undenkbar. Die Gerüchte erhalten durch Berichte vom Juli 1933 neue Nahrung und werden so einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Zeitung Österreichisches Abendblatt berichtet in großer Aufmachung, Hitlers Mutter stamme von tschechischen Juden gleichen Namens ab. Am 13. Juli meldet auch die New York Times die Story an prominenter Stelle. Demzufolge hat ein jüdischer Archivar der tschechischen Stadt Polna mit Namen Alexander Basch in den Büchern Namen von jüdischen Hitlers entdeckt, die zwischen 1800 und 1830 in Prag geboren wurden. Der Grabstein einer der Hitlers, beschriftet mit hebräischen Lettern, steht zu der Zeit immer noch auf dem Friedhof von Polna; ein Foto davon wird genüsslich als Beweis präsentiert. »Ich habe gezeigt, dass der große Feind unserer Rasse, Adolf Hitler, von jüdischer Herkunft ist«, erklärte Basch laut dem Report. Vier Mitglieder der jüdischen Hitler-Familie, Abraham, seine Söhne Jacob und Leopold sowie Tochter Clara seien nach Wien gezogen. »Clara Hitler ging nach Spital in Niederösterreich«, so Basch, »sie war eine Schwester von Adolf Hitlers Großmutter.« Die Zeitungsgeschichte und die Abbildung des jüdischen Grabes mit einer Hitler-Inschrift erregen enormes Aufsehen. Die Gegner Hitlers reiben sich die Hände. Der Diktator selbst ist nervös wegen solcher Meldungen, am wenigsten kann er einen Verwandten gebrauchen, der sich hinstellt und der Presse als besonders glaubwürdiger Zeuge eine neue Variante der jüdischen Abstammung zum Besten gibt. Erst viel später finden Historiker heraus, dass der in der Tschechoslowakei durchaus geläufige Name Hitler nur auf zufälliger Gleichheit beruht und keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Waldviertler Hitlers bestehen.
    Dennoch ist die Situation kurios: Da versucht ein ehrgeiziger und vergnügungssüchtiger junger Mann seinen Onkel zu erpressen. Nur ist dies kein normaler Onkel, sondern Adolf Hitler, ein Mensch, der Erpressung, Gewalt und Mord atmet und den solche Methoden nicht mehr aufregen als seine Tasse Tee zum Frühstück. Es zeugt von Naivität und gnadenloser Selbstüberschätzung, aber auch von verzweifeltem Mut, es mit einem solchen Mann aufnehmen zu wollen. Der kleine Hitler kämpft mit schmutzigen Tricks gegen den großen Hitler – ein ungleicher Kampf. Immerhin: Als Bonus erhält William Patrick doppeltes Gehalt in der Reichskreditbank und einen Barscheck Hitlers über 100 Mark mit dem Stempel der Reichskanzlei. Das ist mehr als bisher, unterm Strich sind es aber doch weit magerere Summen, als Willie sich das vorgestellt hat. Genau genommen sind es lächerliche Beträge, die für den jungen Mann herausspringen. Er interveniert erneut und erhält schließlich im Jahr 1935 einen neuen, besser bezahlten Job bei der Adam Opel AG, zuerst kurze Zeit in der Zentrale in Rüsselsheim als Mechaniker in der Fabrik, dann als Autoverkäufer bei der Filiale Eduard Winter am Kurfürstendamm 207.
    William Patricks Leben bessert sich. Für die Unterkunft braucht er wenig, er bewohnt ein schlichtes Zimmer im dritten Stock in der Uhlandstraße 163. Dort trifft ihn einmal zufällig der Jazzmusiker René Schmassmann, der mit seiner Band Lanigiro Hot Players in Berlin gastiert und in derselben Wohnung ebenfalls ein Zimmer zur Untermiete hat. Zu dem Zeitpunkt ist Jazz bereits von den Nazis als »entartet« und als »Negermusik« gebrandmarkt und wird mit »Untermenschen«, »Gangsterunwesen« und »Judentum« in Verbindung gebracht, für die Musiker werden Auftritte immer schwieriger. Schmassmann erinnert sich: »An einem Morgen lag auf der Postablage ein Brief, adressiert an einen Herrn Patrick Hitler. Ich fragte die Wohnungsinhaberin: ›Sie, wohnt bei Ihnen der Hitler?‹ – ›Pssst, um Gottes willen, passen Sie auf, machen Sie nichts, dies ist der Neffe des Führers!‹, sagte sie verängstigt. Dieser Patrick Hitler hatte sein Zimmer gerade neben dem meinen und spielte auf seinem Grammophon öfters tolle Schallplatten ab. Da bekam ich aus Basel eine Testplatte, ›Sag nicht Adieu‹, von Egon Fernandez Zenker mit Pauli Schär am Klavier zugeschickt, konnte sie aber nicht abhören. Ich klopfte an Hitlers Türe. Er kam heraus – er hatte denselben Schnauz wie der Führer –, ich fragte ihn, ob ich die Platte abspielen dürfte. Ich fragte ihn auf Englisch, denn ich erfuhr, er war Engländer. Ich redete noch ein

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