Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Vermieten von Zimmern auf. Noch immer ist es ihr nicht gelungen, die britische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Von ihrem Sohn kann sie auch keine finanzielle Unterstützung erwarten, angeblich, weil er von Deutschland aus kein Geld überweisen darf. Willies Leben ist nicht in den edlen Rahmen eingebettet, den er sich erwartet hatte. Einladungen – schön und gut. Aber vom protzigen Auftreten der Parteibonzen in Berlin und deren Luxusleben ist William Patrick weit entfernt. Sein Job als Autoverkäufer beschert ihm zwar ein moderates Einkommen, aber keine Chance auf Reichtum. Mit der Arbeit hat er überhaupt Probleme. Ob es an der Umgebung liegt, an nervigen Vorgesetzten, an der schlechten Bezahlung oder schlicht an unüberwindbarer Unlust an regelmäßiger Arbeit, ist im Nachhinein nicht mehr zu eruieren. Tatsache bleibt, dass auch die neue Stelle bei Opel am Kurfürstendamm bald wieder dem Ende zugeht. Im Jahr 1938 verliert William seinen Arbeitsplatz. »Meine Schwierigkeiten begannen, als mir auf Befehl Hitlers meine Stelle gekündigt wurde und ich meine Arbeitserlaubnis verlor, ohne die ich keinen neuen Job annehmen konnte.« 178
Es ist etwas vorgefallen, das den Rauswurf auslöst. William Patrick beschreibt es so: »Ich musste wohl, um meine Verkaufschancen von Autos der Marke Opel zu erhöhen, gegenüber Kunden erwähnt haben, dass ich ein Neffe Hitlers sei und bei ihnen sozusagen indirekt die Hoffnung auf Gefälligkeiten Hitlers erweckt haben, wenn sie einen Wagen abnähmen.« Leider gerät William dabei an ein parteitreues NSDAP-Mitglied. Der Mann ruft bei der Polizei an und berichtet, dass sich bei ihm jemand als »Herr Hitler« ausgebe, der behauptet, der Neffe des Führers zu sein. Die Polizei fragt in der Reichskanzlei nach – und schon ist das Malheur geschehen. Onkel Adolf wird über den Vorfall informiert. Der reagiert sofort und veranlasst, dass William Patrick seinen Job bei Opel verliert. Adolf Hitlers Adjutanten werden gegenüber dem Neffen massiv: »Sie drohten mir mit Arrest.« Dennoch bombardiert William die Reichskanzlei weiter mit Eingaben, am Ende erhält er wieder eine Arbeitserlaubnis, diesmal für die Schultheiss-Brauerei in der Landsberger Allee 24. Zu der Stelle kommt der junge Mann über die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink, die mütterliche oder sonstige Gefühle für den Hitler-Verwandten hegt. Die Verbindung verschafft ihm weitere Einladungen.
Aber die Verbitterung, gemischt mit Enttäuschung und Wut, nagt an dem 27-Jährigen. Nach fünf Jahren in Deutschland sind ihm weder eine große Karriere noch ein schönes Leben vergönnt – und daran haben in seinen Augen nur Onkel Adolf und seine Nazi-Helfer Schuld. Seinen mächtigen Verwandten hätte es nur ein Fingerschnippen gekostet, und William Patrick Hitler hätte sich nicht mit solchen, seiner Meinung nach unterbezahlten, Jobs herumschlagen müssen, sondern sich als Mitglied der Hitler-Familie in der Sonne der Nazi-Wohltaten wärmen können. William Patrick fühlt sich vor allem von seinem Onkel abweisend behandelt. Auch die politischen Rahmenbedingungen haben sich geändert, der Einmarsch in Österreich zeigt eine neue Qualität in den Expansionsgelüsten des Diktators. Seine Außenpolitik nimmt schärfere Züge an: Die »Heim-ins-Reich«-Kampagne betreibt den Anschluss des Sudetenlandes, im Münchner Abkommen wird die Tschechoslowakei zur Abtretung des Gebietes gezwungen und immer mehr unter Druck gesetzt. Krieg liegt in der Luft. William Patrick beschließt, dass es Zeit ist, seine Zelte in Deutschland abzubrechen und woanders wieder aufzubauen. Er reist im Januar 1939 heimlich ab. Ein Freund fährt ihn mit dem Auto über die holländische Grenze, von dort geht es weiter nach London zu seiner Mutter. Weder Onkel Adolf noch sein Vater Alois wissen von dem Verschwinden des Verwandten.
Im Kopf hat er sich bereits einen Plan zurechtgelegt: Zusammen mit Bridget will er einen Neubeginn in Amerika starten, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Bridget Hitler ist von dem Vorhaben angetan, sie steckt bereits in Schwierigkeiten und wäre froh, das alles hinter sich zu lassen. Ihr Antrag auf einen britischen Pass war bislang nicht erfolgreich, und der Name Hitler wird in England von Monat zu Monat eine größere Belastung – eine Spätfolge ihrer selbst gewählten Präsenz in den heimischen Medien. Auch finanziell steht Bridget Hitler nicht glänzend da, präzise gesagt: Sie ist pleite. Sie kann ihre Stromrechnung nicht
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