Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
mit William Patrick regelmäßig in Kontakt stand. 193 Die spätere Namensänderung hat sich wie eine Wachsschicht um den historischen Befund gelegt – der aber ist genau genommen eindeutig: Es gibt noch einen lebenden Adolf Hitler, wohnhaft Long Island, USA.
Streit ums Geld
Paula ist jetzt Vollwaise. Sie lebt im Haushalt der Familie Raubal in Linz, zeitweise bei Angelas Schwägerin Maria Raubal in Peilstein. Ihr und Adolf zusammen steht bis zum 24. Lebensjahr eine Waisenrente von 50 Kronen im Monat zu, 600 Kronen im Jahr. Doch da die Auszahlung des Geldes an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, dreht der junge Adolf bei der Waisenrente ein krummes Ding – er erschleicht sich auf Kosten seiner Schwester die Häfte der Rente. Schon der Brief von Adolf an die Behörden ist ein Schwindel. Hitler schreibt:
»Hohe kk Finanz Direktion!
Die ehrfurchtsvoll Gefertigten bitten hiermit um gütige Zuweisung der ihnen gebührenden Waisenpension. Beide Gesuchsteller welche ihre Mutter als kk Zoll-Oberoffizialswitwe am 21. Dezember 1907 durch Tod verloren, sind hiermit ganz verwaist, minderjährig und unfähig sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen. Die Vormundschaft über beide Gesuchsteller, von denen Adolf Hitler am 20. April 1889 zu Braunau a/I., Paula Hitler am 21. Jänner 1898 zu Fischlham bei Lambach Ob. Öst. geboren ist, führt Herr Joseph Mayrhofer in Leonding bei Linz. Beide Gesuchsteller sind nach Linz zuständig. Es wiederholen ihre Bitte ehrfurchtsvoll
Adolf Hitler Paula Hitler
Urfahr, den 10. Februar 1908« 205
Zum einem fällt auf, dass Adolf das Geburtsdatum seiner Schwester fälscht und um zwei Jahre heraufsetzt, sie also jünger macht, als sie tatsächlich ist. Es ist unwahrscheinlich, dass das nur ein Versehen ist, bei einem solch wichtigen und hochoffiziellen Schreiben liest man sich jede Zeile mehrmals durch, bevor man den Brief abschickt. Die Absicht dahinter ist klar: Schlucken die Behörden das falsche Geburtsdatum, fließt das Geld um zwei Jahre länger. Und noch etwas sticht im Original des Dokuments ins Auge: Adolf hat für seine Schwester mitunterschrieben, ihre Signatur gefälscht – die beiden Unterschriften stammen offensichtlich von derselben Hand. Zudem ist ungewöhnlich, dass Adolf den Vormund nicht hat mitunterschreiben lassen, was für einen minderjährigen Jugendlichen bei solchen Amtsgeschäften verpflichtend wäre – aus Angst, bei den Lügen ertappt zu werden? Aber die Behörden durchschauen den Schwindel, fordern vom Vormund ein neues Schreiben an – das dann akzeptiert wird.
Es kommt noch schlimmer. Adolf streicht unberechtigterweise die Hälfte des Geldes, nämlich 25 Kronen, für sich selbst ein. Das österreichische Gehaltsgesetz schreibt nämlich vor, dass die Waisenrente nur an Kinder ausbezahlt wird, die sich in Ausbildung befinden. Adolf gaukelt der Obrigkeit und seinem Vormund vor, in Wien dem Kunststudium nachzugehen. In Wirklichkeit wird er an der Akademie nie aufgenommen, nimmt auch keine anderweitige Ausbildung auf, sondern lebt in den Tag hinein. Er haust in Pensionen und Männerwohnheimen und vertreibt sich seine Zeit mit Lesen und Konzertbesuchen. Zudem verfügt er aus den Erbschaften und nach einem Geldgeschenk seiner Waldviertler Verwandten über genügend eigene Barmittel. Später lässt er sich sogar dazu herab, Ansichtskarten zu malen, um so auch einmal ein bisschen Geld durch eigene Arbeit zu verdienen. Das Geld der kleinen Paula streicht er skrupellos als willkommenes Zubrot ein, ohne es wirklich zu brauchen.
Anders dagegen Paula. Das Geld ist für sie wichtig, damit ihre Schwester Angela die zusätzlichen Kosten für den Lebensunterhalt aufbringen kann. Denn seit dem frühen und völlig überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 1910 lasten finanzielle Sorgen besonders schwer auf Angela: Neben Paula hat sie ihre eigenen drei Kinder Geli, Leo und Elfriede zu versorgen, und die Witwenpension ist aufgrund der wenigen Dienstjahre des Verstorbenen armselig. Angela und der Vormund merken allmählich, dass Adolf alles Mögliche macht – nur keine Lehre und auch kein Studium. Die 50 Kronen gehören also rechtmäßig Paula allein. »Die 25 Kronen hätten für mich nicht ausgereicht«, sagt sie. »Mein Vormund erfuhr, dass Adolf in Wien einem Broterwerb nachging.« 206 Also schreibt Paula ihrem Bruder in die Hauptstadt. Es verwundert nicht, dass Adolf nicht antwortet, muss er doch befürchten, ihm werde der Geldhahn zugedreht.
Nachdem der freundschaftliche Weg
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