Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
nicht fruchtet, werden Angela und Mayrhofer massiv: Sie bemühen das Bezirksgericht in Linz. Einer Verurteilung kommt Adolf zuvor, er erklärt vor den Behörden den Verzicht auf seinen Anteil. Das Gericht schreibt am 4. Mai 1911, Aktenzeichen PV 49/3-24, an Mayrhofer: »Da nun Adolf Hitler, der in Wien XX. Meldemannstraße 27 als Kunstmaler lebt, beim k.k. Bezirksgerichte Leopoldstadt I protokollarisch die Erklärung abgab, er könne sich selbst erhalten und überdies noch erhoben wurde, dass Adolf behufs seiner Ausbildung als Kunstmaler grössere Beträge durch seine Tante Johanna Pölzl ausgefolgt erhielt, soweit vor seiner Schwester ohnehin bevorzugt erscheint, so besteht von Seite des gefertigten Gerichts als Vormundschaftsgerichtes der Adolf und Paula Hitler kein Anstand, dass die Waisenpension von 600 K. nunmehr zur Gänze zur Bestreitung der Erziehungskosten der Paula Hitler verwendet wird.« 207 Später verklärt Adolf Hitler das als noble Geste der Menschlichkeit gegenüber seiner Schwester, auch einige Historiker folgen seiner Darstellung, aber Fakt bleibt: Es geschah keineswegs freiwillig – dazu hätte ein schlichter Brief an Vormund Mayrhofer und an Angela gereicht – sondern erst auf Druck der Familie und des Gerichts. Von seinen Schwestern Paula und Angela hat Hitler damit vorerst die Nase voll – er bricht den Kontakt zu beiden ab und wird erst wieder nach dem Ersten Weltkrieg auftauchen.
Paula wechselt auf das Lyzeum in Linz, eine höhere Mädchenschule, macht zudem eine kaufmännische Ausbildung, lernt Schreibmaschine. Das Berufsziel ist Sekretärin. Sie folgt der Schwester Angela nach Wien, die dort seit 1915 ein Lehrmädchenheim leitete und 1920 eine gut dotierte Stelle als Küchenvorsteherin der Mensa Academica Judaica gefunden hat. Angela hilft bei der Jobsuche, Paula fängt im Jahr 1920 – ihre Waisenrente läuft mit dem 24. Lebensjahr aus – als Kanzleikraft bei der Bundesländer-Versicherung in der Praterstraße in Wien an. Die Stelle behält sie bis zum Jahr 1930. Das berufliche Leben ist unauffällig, Paula Hitler entwickelt keinerlei Ehrgeiz aufzusteigen oder in eine andere Position zu wechseln, Karriere zu machen.
Der Schatten des Bruders
Als das Ende des Krieges naht, Adolf Hitler der unausweichlichen Niederlage und seinem Untergang entgegenblickt, versucht der Diktator, seine Schwester vor den heranrückenden russischen Verbänden in Sicherheit zu bringen. Die Russen sind schon 100 Kilometer vor Weiten, wo sich Paula mit ihrer Freundin, der Lehrerin Grete Bauer, aufhält. Verzweifelt versucht Paula, private Unterlagen, eine Schreibmaschine, drei Wäschesäcke im Dachboden des Hauses in Weiten und in den Bienenstöcken zu verstecken. Später finden die Russen die Sachen.
Er beauftragt Martin Bormann mit der Rettungsaktion. Der schickt Mitte April 1945 zwei Männer mit einem Mercedes zu Paulas Haus in Weiten. »Ein Fahrer kam in das Haus und erklärte mir, er hätte den Auftrag, mich zum Obersalzberg zu bringen. Die Abfahrt sollte in zwei Stunden erfolgen. Das überraschte mich, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Ich sagte, ich könnte unter keinen Umständen in zwei Stunden fertig sein … Man war damit einverstanden, erst am nächsten Morgen zu fahren«, berichtet Paula. 229 Sie packt in aller Eile ihre Koffer. Das Begleitkommando fährt sie am 14. April nach Berchtesgaden. Dort stellt sie ihr Gepäck im parteieigenen Hotel »Berchtesgadener Hof« ein und lässt sich ins Dietrich-Eckart-Haus in Vorderbrand bringen, jenes Haus, in dem ihr Bruder im Jahr 1923 seinen Dichterfreund besucht hatte. Paula Wolf bleibt unerkannt.
Adolf Hitler setzte in Berlin seinen persönlichen Adjutanten Julius Schaub in Marsch. Der traf am 26. April in Berchtesgaden ein. Im Berchtesgadener Hof kam es zu einem Treffen zwischen ihm, Paula und der überraschend ebenfalls aus Dresden hergebrachten Schwester Angela. Im Gepäck hatte Schaub eine weitere Überraschung: 100 000 Reichsmark in bar für die beiden Schwestern – übersandt von Bruder Adolf. Das Geld soll die Probleme lösen. Wenige Tage später im Berliner Führerbunker bestellt der Reichskanzler seine Sekretärin zum Diktat für seinen letzten Willen, in dem er seine Familie bedenkt:
»Mein privates Testament.
Da ich in den Jahren des Kampfes glaubte, es nicht verantworten zu können, eine Ehe zu gründen, habe ich mich nunmehr vor Beendigung dieser irdischen Laufbahn entschlossen, jenes Mädchen zur Frau zu nehmen, das nach langen Jahren
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