Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Bauernhof im Ort Spital im österreichischen Waldviertel. Ein russischer Geländewagen fährt heran. Mehrere Soldaten der russischen Sondereinheit Smersch, die Gewehre im Anschlag, springen heraus. Sie dringen in das Gebäude ein, brüllen Befehle. Die Russen stoßen die Schlafzimmertüre auf. Sie verhaften Johann Schmidt aus dem Bett heraus, den Verwandten Adolf Hitlers – Schmidts Oma und Hitlers Mutter Klara waren Schwestern. Sie schleifen den verdutzten Bauern auf den Wagen und transportieren ihn ab. Die Truppe von der sowjetischen Militärabwehr – Smersch steht für Smert schpionam, »Tod den Spionen« – nimmt den Hitler-Verwandten am 30. Mai 1945 mit nach Wien und steckt ihn dort ins Gefängnis. Auch sein Sohn Johann junior, Eduard Schmidt und das Ehepaar Maria und Ignaz Koppensteiner, ebenfalls mit der Sippe verwandt, werden von den Russen abgeholt. Der Vorwurf: Sie haben Hitler-Blut in den Adern.
Dabei haben die Waldviertler Bauern, durchweg einfache Leute, den berühmten Diktator nie persönlich zu Gesicht bekommen. Einige von ihnen haben lediglich den Buben Adolf im Sommer 1907 erlebt, als der in den Ferien zu Besuch ist. Johann Schmidt, Jahrgang 1894, betrieb zur Zeit seiner Verhaftung einen Gasthof, hatte 20 Hektar Land, acht Kühe, zwei Kälber und Stiere, zwei Gänse, zwei Schafe und zwei Schweine. Nebenbei arbeitete er als Bürgermeister des Dorfes Mistelbach, eine Ernennung, die er der NSDAP zu verdanken hat. Beim Verhör gibt er an, dass ihm der Name Hitler keinerlei Privilegien gebracht habe. Der Landwirt, der nicht weiß, wie ihm geschieht, überlebt das russische Gefängnis nicht. Er stirbt am 8. Juli 1945 um 16.30 Uhr wegen »Herzstillstand eines krankhaft veränderten Herzens, Pleuritis, keine Verletzungen«, so steht es zumindest in den offiziellen Akten.
Schmidts Vetter Eduard ergeht es kaum besser. Er wird nach Moskau ins berüchtigte KGB-Gefängnis Lefortowo transportiert. Als persönliche Habe gibt er eine Taschenuhr, einen Wecker, Manschettenknöpfe und ein Band ab. Der Häftling, Zelle 116, reicht am 11. Oktober 1949 an den Chef des Lefortowo-Gefängnisses ein Gesuch ein: »Indem nach viereinhalbjähriger Haftzeit mein Anzug vollkommen zerrissen ist und nicht mehr ausbesserungsfähig ist, bitte ich, mir eine Hose zu geben, außerdem bin ich nicht in Besitze von Winterkleidung und da ich häufig friere, ersuche ich, mir einen Überrock oder Mantel zu geben. Die mir vor zwei Jahren gegebenen Fußlappen sind ebenfalls völlig schadhaft und bitte dieselben zu tauschen. Da ich die Erlaubnis habe, lange Haare zu tragen, bitte ich um einen Kamm, da ich selbst nicht im Besitze desselben bin.« 245 Die Sanitätsabteilung protokolliert am 27. Februar 1950 von dem Häftling Schmidt: »Traumatische Deformation des Brustkorbes. Tauglich zu körperlicher Arbeit.« Die Verletzung sind vermutlich eine Folge der Schläge, die Eduard erleiden muss. Er unterschreibt ein »Geständnis«, in dem er »Verbrechen gegen den Frieden« zugibt, obwohl er gar nicht bei der Armee war. Zehn Tage später verurteilt ein Militärgericht den Cousin Adolf Hitlers zu 25 Jahren Gefängnis und Konfiszierung des Eigentums. Begründung: Verwandtschaft mit Hitler, »Billigung der Pläne Hitlers«, »Geldmittel von Hitler«, »Kontakte mit Paula Hitler«. 246 Der Waldviertler wird in das Sondergefängnis in Werchne-Uralsk überstellt. Eduard Schmidt stirbt am 5. September 1951 um 13.10 Uhr. Offizielle Todesursache: Herzschwäche als Folge von Lungen-Tbc.
Anton Schmidt junior, geboren 1925 in Mistelbach im Waldviertel, Hitlerjunge und von Juni 1943 bis Mai 1945 Mitglied der Waffen-SS, überlebt die russischen Gefängnisse. Er kommt erst im Jahr 1955 wieder nach Hause – seine Verwandten glaubten, er sei längst tot. In der Gefangenschaft unterschreibt er Verhörprotokolle, in denen er einräumt: »Ich selbst, als ich bei der Waffen-SS war, nahm an Operationen gegen sowjetische Soldaten und an Strafexpeditionen gegen jugoslawische Partisanen teil.« Er gesteht zudem, die Politik Adolf Hitlers gutgeheißen zu haben. Schmidt junior war bei der Panzerdivision Nordland, Ende 1944 bei der SS-Panzerdivision Wiking als Kradmelder. Am 25. März 1950 wurde der Landwirt in einer Sondersitzung des Ministeriums für Staatssicherheit der UdSSR zu 25 Jahren Haft in einem Sondergefängnis verurteilt.
Auch das Ehepaar Koppensteiner wird wegen ihrer Zugehörigkeit zur Familie Hitlers zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Erschwerend kommt
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