Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
zu tun pflegte. Was findet sie an dem Mann, der ihr Vater sein könnte? Sicher spielt die materielle Sicherheit eine Rolle, die Alois mit seinem Einkommen bietet. Auch das Ansehen, das die Gattin eines Zollbeamten gerade auf dem Lande genießt, hat seine Reize. Doch andererseits weiß Klara durch die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre, auf wen sie sich da einlässt. Klara ist im Gegensatz zu ihrem Mann eine gläubige Katholikin, geht regelmäßig in die Kirche. Ihr Tagesablauf ist eine immer wiederkehrende Abfolge von Putzen, Kochen, Einkaufen und Kinderversorgen. Treffen mit Nachbarn oder Freundinnen bleiben selten, meist entzieht sie sich dem mit dem Satz »Hab’ leider keine Zeit, die Arbeit wartet«. Ihr unterwürfiges Wesen akzeptiert alle Kränkungen, die sie still hinunterschluckt. Sie wagt es kaum, ihrem Partner zu widersprechen und lässt sich nur äußerst selten auf eine offene Konfrontation ein.
Das hatte seine Gründe. Alois war herrisch, jähzornig und gewalttätig, wie später seine Kinder berichteten. Prügel waren an der Tagesordnung. Ob Klara auch darunter leiden musste, ist unklar. Geradezu wie ein Hinweis darauf und wie eine verdeckte Schilderung der eigenen häuslichen Verhältnisse lesen sich zwei Passagen Adolf Hitlers aus Mein Kampf : »Wenn dieser Kampf unter den Eltern selber ausgefochten wird, und zwar fast jeden Tag, in Formen, die an innerer Rohheit oft wirklich nichts zu wünschen übriglassen, dann müssen sich, wenn auch noch so langsam, endlich die Resultate eines solchen Anschauungsunterrichtes bei den Kleinen zeigen. Welcher Art sie sein müssen, wenn dieser gegenseitige Zwist die Form roher Ausschreitungen des Vaters gegen die Mutter annimmt, zu Misshandlungen in betrunkenem Zustande führt, kann sich der eben ein solches Milieu nicht Kennende nur schwer vorstellen.«
Adolf Hitler konnte es offenbar, er schreibt weiter: »Übel aber endet es, wenn der Mann von Anfang an seine eigenen Wege geht und das Weib, den Kindern zuliebe, dagegen auftritt. Dann gibt es Streit und Hader, und in dem Maße, in dem der Mann der Frau nun fremder wird, kommt er dem Alkohol näher.« 11
Alois’ Vorliebe für Bier und Wein ist bekannt. Praktisch jeden Tag, nach der Arbeit im Büro, genehmigte er sich mehrere Gläser in einem Gasthaus, rauchte ununterbrochen seine Pfeife und führte Stammtischgespräche mit Kollegen, vorzugsweise über landwirtschaftliche Fragen. Ob und wie stark Alois danach betrunken war, berichten Zeugen von damals unterschiedlich. Sein Sohn Adolf jedenfalls, der ihn bisweilen dort abholte, schilderte Jahre später die Szenerie – wenn auch sicherlich bewusst dramatisierend – folgendermaßen: »Da mußt’ ich als zehn- bis zwölfjähriger Bub immer spätabends in diese stinkende, rauchige Kneipe gehen. Ich trat dann immer ohne jede Schonung auf, trat an den Tisch, wo mein Vater saß und mich stier anschaute, und rüttelte ihn. Dann sagte ich: ›Vater, du mußt jetzt heim! Komm jetzt, wir müssen gehn!‹ Und oft mußte ich gleich eine viertel oder halbe Stunde betteln, schimpfen, bis ich ihn endlich so weit hatte. Dann stützte ich ihn und brachte ihn heim. Das war die grässlichste Scham, die ich je empfunden habe.« 12
Wohl schon aus dieser Zeit speiste sich Adolf Hitlers lebenslange Ablehnung des Alkohols.
Auch an den übrigen Tagen hatte es Alois nicht eilig mit der Rückkehr in den Kreis seiner Familie. Viel lieber machte er nach der Arbeit einen Spaziergang, schaute noch nach seinen Bienenstöcken, seinem einzigen Hobby. Einmal zog er gar für mehrere Monate in eine Wohnung in der Braunauer Altstadt, weil er von dort aus schneller bei seinen Bienenstöcken war. Freunde hatte er keine. Die einzigen, mit denen er nähere Kontakte pflegte, waren seine Kollegen Emanuel Lugert, der spätere Firmpate von Adolf, und Carl Wessely, den er seit 1878 kannte und regelmäßig zu Kneipenabenden traf. Kein Wunder: »Alois Hitler war uns allen unsympathisch. Er war sehr streng, genau, ja sogar Pedant im Dienst und ein sehr unzugänglicher Mensch«, beschreibt ihn ein Kollege. 13
Belastend für die Familie sind die vielen Umzüge. In seinen 21 Dienstjahren in Braunau zieht der Hausherr mit seiner Familie vergleichsweise bescheidene viermal um, danach folgen innerhalb von sieben Jahren sechs Umzüge. Diese lassen sich nicht gänzlich mit den Pflichten seines Berufes erklären, darin reflektiert sich auch Rastlosigkeit und Getriebenheit, wohl auch innere Unzufriedenheit, »er
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