Die Hitze der Hölle
argen.«
»Ihr meint den Tod des Hüters? Wir haben alles darüber gehört«, sagte Ranulf, »aber nicht von den Templern, o nein, die halten dicht und bewegen sich auf leisen Sohlen, sondern von den Dienern.«
»Und habt Ihr etwas Wichtiges in Erfahrung gebracht?«
»Nein, nur daß alle Angst haben. Das übliche Gerede über seltsame Lichter in der Nacht, über Kommen und Gehen. Offensichtlich war alles ruhig und friedlich, bis de Molay und die Kommandanten des Templerordens hier eintrafen. Normalerweise steht das Herrenhaus leer. Nur der Hüter und einige wenige Diener leben dann hier. Jetzt geht alles drunter und drüber. Sie glauben, der Hüter wurde mit Schwarzer Magie umgebracht. Die Flammen, die ihn das Leben kosteten, kamen angeblich aus der Hölle. Alle packen bereits. Sie weigern sich, weiterhin hier zu arbeiten.«
Corbett schaute aus dem Fenster. Das Rotgold der untergehenden Sonne überzog den Himmel. Er wollte sich hinlegen und seine Gedanken ordnen, konnte aber das gräßliche Bündel auf dem Tisch des Ratssaales nicht vergessen.
»Also, Ranulf, Maltote, packt unsere Sachen aus. Schließt hinter mir ab. Ich gehe in den Irrgarten. Ihr könnt Euch ein wenig umsehen, tut so, als wüßtet Ihr von nichts.« Corbett zwinkerte Maltote zu. »Dir dürfte das ja nicht schwerfallen. Probier mal, wo du überall hinkommst, Ranulf. Wenn man dich zurückweist, fang keinen Streit an. Wir treffen uns in etwa einer Stunde wieder hier.«
Corbett verließ das Gästehaus und ging um das Herrenhaus herum. Er schlenderte an den Ställen, den Schmieden und den Nebengebäuden vorbei. Dann kam er durch ein riesiges Tor in einen großen wunderschönen Garten, einen Ort der Ruhe und des Friedens, mit einem Laubengang über und über mit weißen Heckenrosen und Geißblatt bewachsen auf der einen Seite. Unter dem Laubengang blühten Maiglöckchen. Corbett setzte sich auf einen Absatz und schaute sich bewundernd um.
»Oh!« flüsterte er. »Wenn Maeve das doch nur sehen könnte!« Seine Frau hatte ein leidenschaftliches Interesse an Gärten, und dieser war schöner als alle, in denen Corbett jemals gewesen war, die, die zu Edwards Palästen gehörten, eingerechnet. In einer Ecke waren schachbrettartig Beete angelegt, und der süße Duft der Kräuter, die dort wuchsen, hing schwer in der Luft. Nach einer Weile stand Corbett auf und begab sich zu dem Beet mit Immergrün, Engelsüß, Fenchel, Schlüsselblumen und Florentiner Schwertlilien. Daneben lagen ein Beet mit Liebstöckel und kleine, etwas erhöhte Beete mit Schafgarbe, Maßliebchen und Echtem Labkraut. Corbett ging weiter und in einen kleinen Obstgarten mit Apfel-, Birnen- und Maulbeerbäumen, die Schatten gegen die blendende untergehende Sonne boten. Er schaute zum Herrenhaus zurück mit seinen Fenstern, schmal wie Schießscharten, und kleinen verglasten Erkern, und fragte sich, ob man ihn wohl beobachtete.
Er verließ den Garten durch eine kleine Pforte in der Mauer, die auf eine abschüssige Wiese führte. Am Fuße des Abhangs lag ein kleines Gehölz am Rande eines großen schimmernden Sees. Bei den Ställen in der Nähe muhte das Vieh, das über Nacht von den Weiden getrieben wurde. Ein Mann sang, und die Hammerschläge eines Schmiedes hallten in der Stille wider. Eine Idylle, die Corbett schmerzlich an sein eigenes Herrenhaus in Leighton erinnerte. Trotzdem war es ihm nicht wohl in seiner Haut. Er war sich sicher, daß jemand jede seiner Bewegungen überwachte. Er wandte sich nach rechts und ging am Herrenhaus vorbei auf eine Baumreihe zu. Hinter dieser lag der Irrgarten, ein Meer aus grünen, stachligen Hecken, das sich bis zu den Mauern des Herrenhauses erstreckte. Er lief um den Irrgarten herum, schaute in jeden Eingang und fand schließlich das Seil auf der Erde. Es schlängelte sich durch die Hecken. Corbett folgte ihm. »Der Himmel stehe mir bei!« flüsterte er und schaute auf die dichten Büsche zu beiden Seiten. »Guido Reverchien muß eine Leidenschaft für Selbstkasteiung gehabt haben.«
Er erschrak, als ein Vogel aus der Hecke flog und flügelschlagend über ihm verschwand. Das Geräusch erinnerte Corbett an das eines Armbrustbolzen. Er ging weiter. In dem Labyrinth wurde es von Minute zu Minute stiller, als hätte er sich in einem magischen und geheimnisvollen Wald verlaufen. Immer weiter ging er den Pfad entlang, dem Seil folgend. Die unheilverkündende Ruhe nahm stetig zu. Sein Herz setzte einen Schlag aus, und der Schweiß rann sein Rückgrat hinab.
Weitere Kostenlose Bücher