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Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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erwehren. Die Geister, die de Molay beschworen hatte, schienen sich um sie herum versammelt zu haben. Er nippte an seinem Becher und biß in das gesalzene Brot. Ranulf fing an zu husten, aber Corbett stieß ihn in die Seite, und Ranulf aß eilig die letzten Krümel.
    »Laßt uns der heiligen Stätten gedenken«, hob de Molay ein weiteres Mal die Stimme, »an denen unser Herr, Jesus Christus, aß, trank, litt, starb und auferstand.«
    Anschließend wurden die Becher und die Teller abgeräumt. De Molay gab allen ein Zeichen, sich zu setzen, und das Abendessen begann. Trotz dieses etwas düsteren Trinkspruchs war das Essen ausgezeichnet — würziger Fasan, im Topf geschmorter Hase, frisches Gemüse, Rotwein und zum Dessert eisgekühlter Wein aus dem Elsaß. Corbett trank in kleinen Schlucken und dachte an das Geschenk des Königs an de Molay, während er den Unterhaltungen um sich herum lauschte. Meist ging es um Dinge jenseits des Kanals, so als versuchten die Templer die jüngsten Ereignisse zu verdrängen. Sie sprachen von Schiffen, von den Korsaren im Mittelmeer, die nur kurze Zeit zurückliegende Kapitelversammlung in Paris und die wichtige Frage, ob sie sich mit dem Johanniterorden verbünden sollten. Sie waren zwar aufmerksam Corbett und seinen beiden Gefährten gegenüber, bezogen sie aber kein einziges Mal in die Unterhaltung ein. Erst als Odo, der Bibliothekar, ein dünner, kahlköpfiger Mann mit einem üppigen weißen Bart, sich an die Tafel setzte, besserte sich die Stimmung etwas. Odo war ein sorgloses Gemüt, lächelte immer und hatte zahllose Lachfältchen um die Augen. Corbett fand ihn auf Anhieb sympathisch.
    »Ihr langweilt unsere Gäste«, sagte Odo vom anderen Ende der Tafel her. »Ihr seid keine Ritter und Gentlemen, sondern grau gewordene Soldaten, die es nicht besser verstehen.« Er verbeugte sich in Richtung de Molays. »Großmeister, ich entschuldige mich für das Zuspätkommen.«
    »Unsinn.« De Molay lächelte ihn an. »Wir kennen Euch und Eure Bücher, Bruder Odo, und Ihr habt ganz recht. Wir sollten uns mehr um unsere Manieren kümmern.«
    Ein Küchenjunge kam herein und legte dem Bibliothekar ein frisches Bratenstück vor. Odo stützte seine Ellbogen auf den Tisch, und Corbett blieb einen Augenblick die Luft weg. Odos linke Hand fehlte. An ihrer Stelle saß ein Stumpf aus poliertem Holz. Legrave, der ihm gegenübersaß, beugte sich etwas vor. »Wir tolerieren das bei Bruder Odo«, flüsterte er so laut, daß alle es hören konnten, und lächelte den Bibliothekar dabei an. Dieser warf Legrave einen gespielt-verärgerten Blick zu. »Es wird ihm nicht gefallen, daß wir Euch das erzählen, aber Odo ist ein Held, ein veritabler Paladin.«
    »Das ist wahr!« trompetete Branquier. »Warum würden wir uns sonst mit seinen Reden und schlechten Manieren abfinden?« Corbett spürte, welche Verehrung, ja sogar Liebe sie dem alten Templer entgegenbrachten.
    »Zu seiner Zeit«, sagte Symmes, »war Bruder Odo ein Ritter, auf den auch Arthur, Roland oder Oliver stolz gewesen wäre.«
    »Hört schon auf!« wehrte der Bibliothekar mit seiner unversehrten Hand ab, obwohl er das gutmütige Geplänkel ganz offensichtlich genoß.
    »Er war in Akka«, fuhr Legrave fort, »wie wir alle, aber er versuchte noch die Stadtmauer zu verteidigen, als sie schon längst überrannt war. Er floh als letzter. Erzähle uns, Bruder, und unseren Gästen, wie das genau war.«
    Corbett war sich im klaren darüber, daß es sich hier um ein Ritual handelte, nur hatte es diesmal einen etwas anderen Hintergrund. Diese Männer wollten ihm unbedingt beweisen, daß sie in einer anderen Zeit die Verteidiger des Christentums gewesen waren, egal, was für Gerüchte und geflüsterte Anklagen jetzt kursierten. Sie waren Helden, Heilige in Rüstungen. Die anderen Templer schlossen sich der Aufforderung an. Also nahm Odo noch einen Schluck und hob seine polierte Armprothese.
    »Ich habe meine Hand in Akka verloren«, fing er an. »Ja, damals, im März 1291, als die Stadt fiel.« Er sah die vier Kommandanten des Templerordens an. »Ihr wart ebenfalls dabei.«
    »Wir bekamen es mit der Angst zu tun und liefen davon.«
    Legrave hatte die Augen gesenkt. »Wir flohen mit unseren Schilden auf dem Rücken und unsere Gesichter dem Meer zugewandt aus der Stadt.«
    »Nein, das stimmt nicht«, widersprach Odo mit leiser Stimme. »Ihr mußtet den Rückzug antreten. Das habe ich Euch schon hundertmal gesagt, man erwirbt keinen Ruhm dadurch, daß man sein

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