Die Hitzkammer
war hinausgegangen, hatte Marthe gefragt, wie er ihr Vertrauen gewinnen konnte, doch die hatte nur mit den Schultern gezuckt. Ratlos war er ins Laboratorium zurückgekehrt und hatte weiter auf sie eingeredet. Ohne Erfolg.
»Du musst etwas zu dir nehmen!«
»Esst doch selbst.«
»Niemandem nützt es, wenn du verhungerst.«
»Pah! Was tut Ihr so barmherzig? Wollt mich einwickeln, was? Aber nicht mit mir! «
Lapidius schöpfte Hoffnung. Freyja Säckler hatte ihn etwas gefragt. Das war immerhin ein Anfang. Vielleicht konnte er sie doch von der Wichtigkeit der Nahrungsaufnahme überzeugen. »Sagen wir, ich gehöre zu den Menschen, denen es Freude macht, zu helfen.« »Pah!« Freyja Säckler verdrehte die schönen Augen. »So jemand ist mir mein Lebtag nicht über den Weg gelaufen. Sagt endlich, was Ihr wollt.«
»Ich will dir wirklich nur helfen, mehr nicht.«
Freyja Säckler schwieg erneut.
Lapidius schob Wurst und Brot beiseite. Mit der Frau war einfach nicht zu reden. Das Einzige, was sie widerstrebend zugelassen hatte, war die Behandlung ihrer gequetschten Daumennägel gewesen. Er hatte sie verbunden und insgeheim gestaunt, wie tapfer sie die Schmerzen ertrug. Kein Wort war über ihre Lippen gekommen. Genau wie jetzt. Nun gut, es sollte eben nicht sein. »Marthe!«, rief er, »Marthe ! «
Die Magd kam aus der Küche. »Wassis, Herr?«
»Trag das Essen fort.«
»Was denn? Die feine Dame hat noch immer nix gegessen?« Marthes Vollmondgesicht lief rot an. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Jetzt reichts aber! Ne Schande isses, wasde dir mitm Herrn erlaubst. Lang zu, ich sachs nur dies eine Mal! Wennnich, verpass ich dir ne Maulschelle, diede dein Lebtach nich vergessen tust!«
Und das Wunder geschah. Zu Lapidius’ grenzenlosem Erstaunen gehorchte die Säckler. Sie ergriff das Brot und biss hinein. Es schien ihr zu schmecken. Schon nahm sie den nächsten Bissen, kaute ihn kaum durch, schluckte ihn hinunter, kaute weiter, schluckte, hieb die Zähne in die Wurst und schloss die Augen, während sie Bissen um Bissen vertilgte.
Marthe grinste zufrieden. Wie alle mütterlichen Frauen freute es sie, wenn jemand herzhaft zu essen verstand. Speise und Trank waren der Mittelpunkt ihres Lebens. »Na also. Ich hol nochn Becher Ziegenmilch zum Nachspülen.«
Lapidius erkannte, dass seine Sprache die falsche gewesen war. Freyja Säckler war eine Frau, die auf Freundlichkeit misstrauisch und schroff reagierte. Wahrscheinlich, weil sie schlechte Erfahrungen im Leben gemacht hatte. Er beschloss, sich das zu merken und fortan kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. »Hör mal«, sagte er, »mit deiner Krankheit ist nicht zu spaßen. Sie ist so schwer, dass du alle Kräfte brauchen wirst, sie zu besiegen. Deshalb ist es gut, wenn du jetzt isst. Ab morgen bekommst du keine feste Nahrung mehr.«
Sie unterbrach ihr Kauen und Schlucken. Und sagte nichts.
Lapidius sprach weiter: »Wenn deine Krankheit unbehandelt bleibt, wirst du sterben. Das solltest du wissen. Sei also froh, dass ich mich um dich kümmere.«
»Die Wurst ist gut«, sagte sie.
Lapidius nickte und sah hinüber zu Marthe, die mit der Ziegenmilch hereinkam. Das, was er jetzt zu sagen hatte, war nicht für ihre Ohren bestimmt. »Marthe, stell den Becher ab und lass uns allein.«
Die Magd blickte entrüstet.
»Los, los.«
Als Marthe draußen war, fuhr Lapidius fort: »Dass deine Krankheit Syphilis geheißen wird, hast du vielleicht in der Folterkammer mitgehört. Nach dem, was die Medizin weiß, wird sie grundsätzlich durch, äh … die Fleischeslust übertragen. Mit wem hattest du in letzter Zeit Verkehr? Ich muss das wissen, denn einer deiner Liebhaber hat dich womöglich angesteckt. Genau so, wie du danach andere angesteckt hast, wenn du mit ihnen Verkehr hattest. Es ist wichtig, alle Personen zu kennen, sonst ist die Seuche nicht einzudämmen. Also: Mit wem hattest du in der letzten Zeit Verkehr?«
»Verkehr? Ihr meint, bei wem ich gelegen hab?« Freyja Säckler nahm einen Schluck Ziegenmilch.
»Ja, so kann man es auch sagen.«
»Bei wem soll eine, die übers Land zieht, schon liegen. Ab und zu geh ich mit einem ins Heu, aber die wenigsten stellen sich vor. Ich halt nicht viel von Männern.«
»Du ziehst über Land?«
»Mit dem Kräuterwagen. Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt.« Sie nahm einen weiteren Schluck.
»Das ist interessant. Wir müssen später einmal darüber reden. Hattest du mit einem Mann aus Kirchrode Verkehr?« »Weiß
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