Die Hobbijahns
fächelte ihr mit seinen Flügeln Luft zu. In seiner Verzweiflung flog er die erste Treppe auf der rechten Seite hinauf, die Archibald und Gretchen schon vor einiger Zeit verlassen hatten. Nur widerwillig ließ er Jasmin allein, aber es bleib ihm keine andere Wahl. Er musste Hilfe holen!
»Archibald! Gretchen! Hört ihr mich? Jasmin ist gestürzt! Ich brauche HILFE!! JASMIN braucht HILFE!« Den letzten Satz brüllte er so laut, wie es für einen kleinen Falter möglich war. Seine Worte hallten von den Schieferwänden zurück und tönten durch das Schloss. Nicht nur Archibald und Gretchen hörten es, sondern auch Jemand, der sich weit oben in einem der dunklen Türme aufhielt. In einem der Türme, die von weitem nicht zu sehen gewesen waren.
Archibald und Gretchen hatten das Ende der Treppe noch nicht erreicht, als sie Balduins Hilferuf erreichte. Ohne zu zögern drehte Archibald um und raste die Treppe hinunter. Gretchen wackelte dabei auf seinem Rücken gefährlich hin und her. Damit sie nicht herunterfiel, sonderte sie Schleim auf Archibalds Rücken ab und klebte sich fest.
Im Schein der Kerzen erkannten sie Jasmin auf dem Boden liegend. Ein flackernder Lichtschein flog auf sie zu. Hastig erklärte Balduin, was geschehen war.
»Sie ist doch nicht tot?«, fragte Archibald.
Vor Schreck stockte ihm der Atem. Angst fuhr ihm in die Glieder seiner acht Beine. Auch Balduin hatte er erschreckt, der Falter vergaß, mit den Flügeln zu schlagen und stürzte ab. Doch er landete auf Jasmins Gesicht und diese leichte Berührung ließ sie erwachen.
Jasmin schlug die Augen auf. Balduin saß auf ihrer Nasenspitze und lächelte gequält. So hatte Balduin auch bei ihrer ersten Begegnung da gesessen. Vorsichtig drehte Jasmin sich nun auf den Rücken. Und Balduin flatterte zur Seite. Jasmin sah schwarze Punkte vor den Augen. Doch diesmal gelang es ihr, bei Bewusstsein zu bleiben. Ihr rechter Arm schmerzte fürchterlich. Sie zog ihre Beine an. In dieser Haltung fühlte sie sich geborgener. Es dauerte eine Zeitlang, bis sie sprechen konnte: »Ihr müsst alleine suchen. Ich kann nicht mehr.«
»Mach dir um uns keine Sorgen. Wir schaffen das schon. Balduin wird bei dir bleiben.«
Mit diesen Worten setzte sich Archibald mit Gretchen auf dem Rücken wieder in Bewegung. Balduin hockte sich auf Jasmins Knie. Einen Moment sahen sie Archibald und Gretchen nach. Dann verschluckte sie die Dunkelheit.
Von Freunden und Feinden
Die Kerzen auf dem Boden spendeten nicht nur Licht, sondern auch einen Funken Wärme. Trotzdem war der Boden, auf dem Jasmin lag, kalt und hart. Balduin saß auf ihrem Bauch und hatte es weicher. Die Zeit dehnte sich, bis sie endlich ein Geräusch hörten. Doch ängstlich flüsterte Balduin: »Das waren nicht Archibald und Gretchen!«
Jasmin versuchte sich aufzurichten. Schließlich gelang es ihr, sich in eine sitzende Position zu bringen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Angestrengt starrte sie in die Richtung, aus der sie das Geräusch vernommen hatte. Es kam von der Treppe, die Balduin und Jasmin bereits hinaufgestiegen waren und die sie in diese hilflose Lage gebracht hatte. Niemand könnte von dort kommen. Doch da war es wieder. Jemand schlich die Stufen hinab. Ein Lichtstrahl, hell wie der Tag, warm und Vertrauen erweckend, steuerte auf sie zu. Als der Träger des Lichtes das Ende der Stufen erreichte, erkannte Jasmin das kleine Wesen mit den wuschelig blauen Haaren. Sein Gesicht wies harte Züge auf, die früher nicht darin zu sehen gewesen waren.
Sie hatten es geschafft!
Hebbijahn eilte auf Jasmin zu. Mit ausgestreckten Armen stürzte er sich auf sie und krallte sich an ihrem unverletzten Arm fest. »Jasmin, ich bin so glücklich, dich zu sehen. Ich weiß, dass ich Blödsinn gemacht habe. Und nun habe ich dich und... deinen kleinen Freund« - damit zeigte er auf Balduin - »in Gefahr gebracht. Ich erzähle dir alles später. Du hast viele Fragen, ich sehe es dir an der Nasenspitze an, aber nun müssen wir sehen, dass wir dich wieder gesund bekommen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Jasmin holte Luft und wollte zu einer Erklärung ansetzen, als sie von Rufen und Schreien erneut aufgeschreckt wurden. »Das sind Archibald und Gretchen!«, rief Jasmin.
»Archibald und Gretchen?«
»Ja, wir sind zu viert gekommen!«, antwortete sie.
»Zu viert?« Hebbijahn schien sichtlich entsetzt. Doch es blieb keine Zeit für Erklärungen, denn Schreie ertönten von der Treppe, die Archibald und
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