Die Hoehle der Traenen
und abertausende.
»Sie stellen sich ihm entgegen«, erkannte Baluch nachdenklich und wies dabei auf eine Gruppe, die den in die Stadt führenden Pfad blockierte. »Sie verweigern ihm den Zugang zur Stadt.«
Acton hörte gar nicht zu. Er starrte nach wie vor mit gramerfüllter Miene auf die Stadt. Schließlich machte er eine weit ausholende Geste, um alle Geister mit einzubeziehen. Dann schlug er sich auf die Brust und sah Bramble fragend an. Bittend.
»Du willst wissen, ob das alles deine Schuld ist?«, fragte Bramble. Sie zögerte. Was sollte sie sagen? Was glaubte sie wirklich? Es war schwierig, die richtigen Worte zu finden. Sie hatte bereits wegen dieser Sache mit sich gerungen: Wie konnte sie einen Mörder lieben? Es sei denn, sie akzeptierte, dass auch sie gekämpft, getötet und überfallen hätte, wäre sie an seiner Stelle gewesen. Doch obwohl sie ihn liebte und sich endlich gestattete, ihn so anzunehmen, wie er war, hieß das nicht, dass er schuldlos war.
»Einiges davon ist nicht deine Schuld. Diejenigen, die Hawk getötet haben. Diejenigen, die vor Kurzem jemand getötet haben. Aber es gibt auch andere. River Bluff. T’vit. Und mehr noch. Du hast überfallen, getötet, geraubt. Ich akzeptiere, dass Hawk sterben musste, und sei es nur, um Wili zu befreien. Doch danach … Danach hast du dir einfach genommen, was du haben wolltest, weil du es wolltest. Weil du einen Hafen wolltest. Weil du zur See fahren wolltest. Weil du glaubtest, der Tod in der Schlacht sei ein guter Tod. Aber das ist er nicht. Es ist bloß ein Tod.«
Ihr liefen die Tränen über die Wangen, und er beugte sich zu ihr herab, als akzeptiere er ihr Urteil. Bramble wandte den Blick von ihm ab. Prompt konnte sie nirgendwo anders hinschauen als zu Maryrose, die voller Verachtung auf die Streitmacht des Zauberers starrte. Brambles Herz wurde von Wärme überflutet, und sie spürte, wie sich ihre zu Fäusten geballten Hände öffneten.
»Er hat sie alle herbeigerufen«, sagte Bramble, die ihre Stimme wiedergefunden hatte und gegen die Tränen ankämpfte. »Er hat die falschen Worte gesprochen und damit alle gerufen, die wegen der Invasion ums Leben gekommen sind.«
Acton deutete in eine Richtung, woraufhin sie bemerkte, wie sich eine weitere Gruppe Geister zusammenrottete. Es waren Männer des Kriegsherrn, und die Art, in der sie sich begrüßten, ließ erkennen, dass sie einander kannten. Womöglich waren es Männer, die Sakers Armee getötet hatte. Sie waren mit der Waffe in der Hand gestorben, sodass sie nun Schwerter und Spieße besaßen. Mit gezogenen Schwertern bahnten sie sich einen Weg über die felsige Landspitze auf Saker zu, ein Keil geordnet marschierender Soldaten inmitten einer wirren Menschenmenge. Sie waren im Begriff anzugreifen.
Acton rannte auf das Felsplateau, direkt auf Saker zu, und entriss im Vorbeilaufen einem der Geister ein Schwert. Baluch rannte hinter ihm her.
Auch Bramble wollte ihm folgen, als sich plötzlich etwas unter ihr verschob, sodass sie das Gleichgewicht verlor. Zugleich riefen ihr die Götter zu: Hilf uns! Ihr war, als bebte der Boden unter ihren Füßen, und sie stürzte. Die Stärke des Rufs war so gewaltig, dass Bramble den Hang hinabkroch, um zu ihnen zu gelangen. Sie brauchten sie.
Sie rappelte sich wieder auf und schaute auf den unter ihr liegenden Hafen, auf den von hier aus schnellsten Weg zum Altar. Die Schiffe standen in Flammen, und im Hafen wimmelte es nur so von Wassergeistern. Die Menge, die stürmisch danach verlangt hatte, an Bord der Schiffe zu kommen, kämpfte nun verzweifelt darum, wieder von Bord zu gelangen, und die Menschen schoben und drängten sich an den Docks entlang zur Stadt. Deren Eingänge wurden mittlerweile von Gefolgsleuten des Kriegsherrn bewacht, und diese zeigten sich rücksichtslos, streckten jeden nieder, der versuchte, die Barrikade zu durchbrechen.
Der einzige andere Weg in die Stadt verlief über das Plateau und führte mitten durch die Armee der Geister.
Sie kehrte zur Landspitze zurück. Unter ihr schlug Acton eine Gruppe von Gefolgsleuten des Kriegsherrn zurück und stand vor Saker wie die Todesfee in Person. Sie rannte hinunter, wobei sie die kalten Körper der Geister beiseiteschob, sodass es sich anfühlte, als liefe sie in den Winter hinein und als würde ihr jeden Moment das Blut in den Adern gefrieren. Es fiel ihr schwer, weg von der Stadt zu laufen – der Ruf der Götter zog sie nach wie vor an, zerrte heftig an ihr.
Während sie lief,
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