Die Hoehle der Traenen
können, damit sie begriffen, ihn respektierten und sich ihm anschlossen.
Owl und Alder waren damit beschäftigt, ihre Truppen bereit zu machen. Zu spät erkannten sie, was geschah. Der Pfad war mit einer massiven Streitmacht aus Geistern aller Art und Größe blockiert, Wanderer wie Actons Leute, die sich ihnen in den Weg stellten. Immer mehr gesellten sich zu ihnen, darunter auch der junge Offizier. Zwar war ihre Zahl nicht groß, doch waren es so viele, dass sie nicht alle auf dem Pfad stehen konnten und sich daher entlang des Felsgrats verteilten und einen Halbkreis des Widerstands bildeten.
Flax sah Zel an und signalisierte ihr, sich ihm anzuschließen. Doch Saker nahm ihre Hand und hielt sie fest. Sie machte eine Bewegung auf Flax zu, blieb aber stehen. Sie verstärkte den Druck um Sakers Hand, und er wurde von einer Wärme erfüllt, die er noch nie erlebt hatte.
Alder fauchte Saker an und drängte sich an ihm vorbei, um sich den Neuankömmlingen entgegenzustellen. Dieses eine Mal war Saker froh, dass die Geister nicht sprechen konnten.
Die Sonne ging unter. Saker überkam Ungeduld. Sie mussten jetzt handeln! Andernfalls würde es zu spät sein. Warum er sich dessen so sicher war, wusste er nicht, es handelte sich nicht um seine seherischen Fähigkeiten, fühlte sich nicht so an wie sonst. Es war etwas anderes, eine Art animalisches Gefühl, das ihm sagte, dass ihnen nur noch ganz wenig Zeit blieb.
»Drängt sie nur beiseite«, wies er Owl an. »Tut ihnen nichts.«
Owl lachte ihn aus. Dann machte er einen Schritt vorwärts, richtete seine Streitaxt auf Flax und holte aus. Zel schrie auf, machte einen Satz nach vorn und warf Owl zu Boden, bevor der Hieb sein Ziel fand.
Flax zerrte sie auf die Beine und schob sie zurück zu Saker. Er wedelte mit den Händen, so wie man Hühner zurück in ihren Stall scheuchte. Er hatte Recht, dachte Saker. Zel war eine der wenigen, die verletzt werden konnten. Eine der wenigen, die noch am Leben waren.
Mit wutverzerrtem Gesicht stand Owl auf und hob erneut seine Axt.
»Halt!«, befahl Saker. Dieses Mal legte er Nachdruck in seine Stimme, und den Göttern sei Dank erstarrte Owl mit hocherhobener Axt. Langsam senkte er sie wieder und ließ die Klinge auf dem Boden ruhen.
»Es ist nicht hilfreich, wenn wir einander bekämpfen«, fuhr Saker fort. Nun aber wandte sich Alder gegen ihn, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn, schüttelte ihn so heftig durch, dass ihm schwindelig wurde und er das Gefühl hatte, ihm breche das Genick.
»Da kommt jemand aus der Stadt!«, rief in diesem Moment Zel. Saker folgte ihr zu einer höher gelegenen Stelle. Der Kreis der Geister öffnete sich, um den beiden einen Blick nach unten zu gewähren.
Eine Gruppe Menschen bewegte sich den Pfad herauf. Ihr Anführer war eine kleine blonde Frau, die ein Geweih in der Hand hielt, ein Symbol, das Kriegsherren seit Jahrhunderten in den Grenzbereichen der Domänen dafür benutzten, um anzuzeigen, dass sie eine Jagdgesellschaft waren, keine kriegerische Partei.
»Auch hier kommt jemand hoch!«, rief ein Mann aus dem hinteren Bereich von Alders Gruppe. »Ein Mann und eine Wandrerin – ein Geist begleitet sie!«
Saker beruhigte sich etwas. Weitere Rekruten. Dann schaute er wieder den Hügel hinab. In dieser Gruppe befanden sich Kriegsherren – er erkannte Thegan aus Sendat. Wie konnte der es wagen, sich hier sehen zu lassen! Und andere – Merroc aus der Far South Domain, der alte Coeuf aus der South Domain. Auch Frauen waren unter ihnen, zudem eine Hand voll Offiziere.
Sicher wollten sie verhandeln, um ihre Stadt zu retten. Aber wenn sie glaubten, er würde mit Thegan verhandeln, mit irgendeinem von ihnen, dann hatten sie sich getäuscht. Sendats Beispiel hatte bewiesen, dass kein Frieden, keine Gerechtigkeit, keine Kapitulation möglich sein würde.
Er spürte, dass jener Geist, der auf der anderen Seite den Hügel bestieg, der letzte sein würde und der Zauber nun endlich sein Ende fand. Er schaute kurz hinüber und sah den Geist, einen großen, starken Mann, der von zwei Wanderern flankiert wurde, auf das Felsplateau treten.
Der Zauber verblasste. Und dann geriet die Welt ins Wanken.
Bramble
Während sie den Hügel erklommen, vernahm Bramble ein zischendes Gemurmel. Die Geisterarmee konnte nicht sprechen, doch das Geräusch, das ihre Bewegungen verursachte, glich dem Geräusch des Meers an einem ruhigen Tag.
Acton schaute zum Plateau hinüber. Es war voller Geister – tausende
Weitere Kostenlose Bücher