Die Hoehle der Traenen
und übergab sich in den Wasserlauf. Erbrochenes und Tränen mischten sich auf seinem Gesicht. Leof sprang von Thistle hinunter und ging mit schnellen Schritten auf das Zelt zu. Er wollte zwar gar nicht wissen, was dort drinnen war, musste es aber.
Zwei Leichen, die eines Mannes und die einer Frau, nach den grauen Strähnen in ihrem Haar zu urteilen in mittlerem
Alter. Sie waren erstochen worden, und anschließend hatte man ihnen die Kehle durchgeschnitten. Dort, wo ihnen die Eingeweide aus der Bauchöffnung quollen, stank es fürchterlich. Über ihren starrenden Augen kreisten die Fliegen. Doch nichts war geraubt worden, ihre ganze armselige Habe lag um sie herum, Kochtöpfe, Zunderbüchse, Essen … Das hier war Mord, kein Werk von Räubern.
Er spürte, wie kalte Wut ihn überkam, und er bedeutete Hodge, herbeizukommen und es sich anzuschauen.
Als der Sergeant das Gesicht von dem Zelt wieder abwandte, war seine Miene unergründlich, aber er ging zu Scarf hinüber und klopfte ihm auf die Schulter. Der Mann hatte aufgehört, sich zu erbrechen, und wusch sich gerade das Gesicht.
»Kommt«, sagte Leof. »Lasst uns mit den Leuten in Pigeonvale reden.«
»Wir können sie doch nicht einfach hier liegen lassen«, warf Scarf ein und wies auf das Zelt.
Hodge sah ihn mitfühlend an. »Junge, sie sind tot. Ihnen kann jetzt nichts mehr passieren. Wir werden einen Begräbnistrupp vom Dorf aus losschicken.«
Mit wackeligen Beinen stieg Scarf wieder auf sein Pferd. Die anderen Männer sammelten sich um ihn, darauf brennend, von ihm zu hören, was er in dem Zelt gesehen hatte. Es ihnen zu erzählen, gab ihm ein wenig seiner Würde zurück.
»Reitet weiter«, befahl Leof.
Die Häuser von Pigeonvale waren alle verriegelt und verrammelt. Sie ritten auf den Marktplatz – ein offener, mehr von bloßer Erde als von Gras überzogener Raum, der den Namen Platz kaum verdient hatte -, und sofort stürmten Menschen aus ihren Häusern und riefen laut um Hilfe. Es
waren lediglich etwa zwanzig – das Dorf war klein und ärmlich.
»Mein Herr, mein Herr, kommen die Geister?«, wollte einer der Männer wissen.
»Wir sind die Wanderer losgeworden, Herr. Die Geister sind ein Fluch dieser dunkelhaarigen Bastarde«, schrie eine Frau.
Leof hob die Hand, um für Ruhe zu sorgen. »Ihr seid die Wanderer losgeworden?«
»Ja, mein Herr«, antwortete die Frau stolz. »Als wir vom Gefolgsmann Lord Thegans erfuhren, dass die Geister Wanderer verschonen, haben wir sie getötet!«
»Aufgespießt wie die Schweine«, ergänzte ein anderer. »Sie haben sich nicht einmal gewehrt.«
Leof war, als flösse Eis durch seine Adern. Thegans Saat war aufgegangen. Absichtlich, wohl wissend, dass Morde die Folge sein würden. Er hatte seine Informationen dazu genutzt, um Gerüchte in die Welt zu setzen, sodass die Wanderer in Gefahr gerieten und freiwillig in die Festung kommen würden. Und das nur, um selbst Zeit zu gewinnen und sich Ärger zu ersparen. Und das würde es, bestätigte ihm der kalte, gut ausgebildete Offizier in ihm. Es würde die Dinge wesentlich vereinfachen.
»Der Gefolgsmann meines Lord Thegan hat euch das gesagt?«, hakte Leof nach.
»Jawohl, mein Herr, einer seiner eigenen Offiziere.«
»Es war mein Lord Wil, der war es«, sagte ein älterer Mann. »Der aus Bonhill stammt.«
»Ihr habt Unrecht getan«, erklärte Leof ihnen. »Mein Lord wünscht nicht, dass Wanderer getötet werden.« Er war überrascht darüber, dass seine Stimme dabei fest klang. »Lord Thegan wünscht, dass alle Wanderer in die Festung von Sendat kommen, wo sie in Sicherheit sind.«
Der Alte grinste. »Ach, so ist das. Mein Lord Thegan möchte es selbst erledigen, nicht wahr? Na ja, ein paar sind noch übrig geblieben. Cherry und ihre Jungen haben sich eingeschlossen, und wir konnten nicht zu ihnen, und da drüben bei Esher ist ein Landarbeiter mit einem pechschwarzen Kopf, obwohl er schwört, er sei einer von uns.«
»Ja, und dann diese Frau da unten in der Nähe von Barleydale«, sagte eine junge Frau eifrig. »Sie ist rothaarig, hat aber dunkle Augen, und bei dunklen Augen weiß man ja, dass immer Wandererblut im Spiel ist. Bei ihr sind auch noch zwei Mädchen.«
»Nehmt eine Liste auf, Sergeant«, sagte Leof und ritt davon, nicht im Stande, sich dies noch länger anzuhören. Er hatte viele alte Schlachten und Feldzüge studiert. Er hatte dabei gelernt, dass Menschen jeden opferten, um die eigene Haut zu retten, vor allem Fremde. Es gab nichts Skrupelloseres
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