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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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als einen Mann oder eine Frau, der oder die Kinder beschützen musste und in dessen Nähe sich ein schwaches Opfer befand.
    Und er wusste auch, dass die Wut sich gegen das Opfer genau deswegen richtete, weil es schwach war. Leof hatte es selbst gespürt, in der Schlacht, wenn ein Gegner nicht in der Lage war, sich zu verteidigen. Wenn sich der Kampf in ein Gemetzel verwandelte, erfüllte einen die Wut, machte einen unversöhnlich, als wäre die Schwäche des Feindes eine Beleidigung. Verstanden hatte er das nie, wohl aber gespürt, und nun erkannte er es in den Augen dieser Menschen hier. Sie hassten die Wanderer noch mehr, als sie es gestern getan hatten, weil sie leicht zu töten gewesen waren.

    Cherry erwies sich als die örtliche Kerzenzieherin, die in einem ehrbaren Haus am Dorfrand wohnte. Wie alle anderen war auch ihr Haus verriegelt und verrammelt.

    Hodge schlug gegen die Tür und rief: »Gefolgsleute des Kriegsherrn, Frau! Wir sind hier, um euch und eure Jungen mitzunehmen und in Sicherheit zu bringen, in die Festung des Kriegsherrn!«
    Hinter der Tür war ein Schlurfen zu vernehmen. Dann ertönte die Stimme einer Frau. »Warum sollte der Kriegsherr uns beschützen?«
    Gute Frage, dachte Leof niedergeschlagen.
    »Ihr bezahlt doch eure Steuern, nicht wahr?«, fragte Hodge. »Kriegsherren mögen es nicht, wenn Leute, die Steuern bezahlen, abgeschlachtet werden.«
    Bei dieser Bemerkung runzelte Leof die Stirn, aber die Antwort, so zynisch sie auch sein mochte, beruhigte die Frau, und sie öffnete langsam die Tür. Hinter ihr reckten ihre drei Jungen den Hals, um etwas sehen zu können.
    »Sammelt alle Lebensmittel ein, die ihr habt, dazu ein paar Decken und Kleider«, ordnete Hodge an. »Lange warten wir nicht.«
    Auch seine Ungeduld trug zu ihrer Beruhigung bei. Sie nickte und verschwand im Haus, wo sie den Jungen lautstark Anweisungen erteilte. Ein paar Minuten später tauchten sie mit Bündeln und Taschen wieder auf. Ihr ältester Junge, etwa zwölf Jahre alt, zog einen Handkarren, auf dem die Kerzen hergestellt wurden, aus dem Hinterhof heraus. Auf dem Boden des Handkarrens lagen einige Dutzend Kerzen, und die Frau sah scheu zu Leof auf.
    »Könnte es sein, dass die Lady einige zusätzliche Kerzen haben möchte?«, fragte sie.
    Er lächelte sie warm an. »Davon bin ich überzeugt, nun, da so viele Menschen in die Festung kommen. Das war klug bedacht.«
    Cherry bewegte ruckartig den Kopf und warf Lebensmittel und Decken auf die Kerzen, nun ein wenig vergnügter
gestimmt, da sie das Gefühl hatte, nicht mit leeren Händen loszuziehen und ihre Wohlanständigkeit unter Beweis stellen zu können.
    Leof vermutete, dass Thegan die Anständigen und die nicht so Anständigen in einen Topf werfen würde. »Brechen wir auf, Sergeant«, sagte er, und sie ritten in die Nähe von Barleyvale, wo die Rothaarige mit ihrer Familie lebte.
    Und so ging es den ganzen Tag.
    Sie stießen auf die Spuren weiterer Massaker. So fanden sie eine vierköpfige Familie, die auf der Straße niedergemacht und an ihrem Rand den Krähen zum Fraß überlassen worden war. Einen alten Mann, den man in einer Parodie einer Hinrichtung durch den Kriegsherrn garrottiert und an einem Baum aufgehängt hatte, ganz so, wie der Kriegsherr Verbrecher an den Galgen hängte. Schließlich stießen sie auf ein Haus, das in Brand gesteckt worden war und wo es nach wie vor nach verbranntem Fleisch stank. Jedes Mal musste sich Scarf übergeben, und Leof stellte fest, dass er dem Jungen dankbar dafür war, eine schlichte menschliche Abscheu zum Ausdruck zu bringen, was er sich selbst, als Offizier, nicht erlauben durfte.
    Er musste sich unter Kontrolle halten, obwohl seine Wut im Laufe des Tages immer größer wurde, je mehr Berichte ihnen zu Ohren kamen, wie »der Offizier meines Herrn« die Nachricht verbreitet hatte, dass die Geister das Leben der Wanderer verschonten.
    Seine eigenen Boten verrichteten ihre Aufgabe gründlich. Bald war es so, dass die Bewohner einer Stadt schon ganze Arbeit geleistet hatten, wenn ihr Trupp in die Stadt hineinritt. Entweder stießen sie dann auf eine Gruppe von Wanderern mit versteinerten Gesichtern, die von Wachen mit Mistgabeln und Sensen umgeben waren, oder man nannte ihnen die Richtung, wo sich die »schwarzhaarigen Bastarde«
verbarrikadiert hatten. Zumindest hatten die Boten dafür gesorgt, dass es kein erneutes Gemetzel mehr gab. Doch ging Leof davon aus, dass in den Domänen insgesamt wohl Hunderte getötet worden

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