Die Hoehle der Traenen
entspannten sie sich ein wenig, doch Flax hielt nach wie vor Ausschau nach jedweder Art von Unterschlupf – selbst ein Gestrüpp hätte ihnen geholfen.
Sie ließen die Ebene hinter sich, während die Straße sich zwischen kleinen Hügeln emporschlängelte. Je mehr die Hänge um sie herum anstiegen, desto wohler fühlte sich Flax; sie konnten nicht weit nach vorne schauen, doch immerhin würde sie auch niemand von Weitem erspähen können.
Die Sonne setzte sich gegenüber den Wolken durch. Die
Pferde waren müde, und Flax ließ sie trotz aller Eile, die er empfand, im Schritt gehen.
Plötzlich richtete Cam die Ohren auf und hob den Kopf. Flax hatte nicht damit gerechnet und reagierte zu langsam. Sie wieherte laut und bekam von jenseits einer Biegung direkt vor ihnen Antwort. Verzweifelt sah Flax sich um. Nirgendwo ein Versteck. Sie würden sich mit großer Unverfrorenheit behaupten müssen, ganz gleich wer hinter der Wegbiegung war.
Er richtete sich im Sattel auf und brachte sich in Erinnerung, dass er ein junger Kaufmann war, der mit seinen Bediensteten unterwegs war nach – ja, wohin? Sendat? Carlion? Ja, er war nach Carlion unterwegs, um dort etwas über den Verwalter ihrer Familie in Erfahrung zu bringen, um gesicherte Informationen und nicht bloß Gerüchte und Schauermärchen darüber zu hören, was geschehen war.
Er atmete tief ein und stellte sich auf ein Lächeln ein, als sie um die Kurve ritten.
Dort standen Männer des Kriegsherrn. Thegans Männer. Sie hatten kampiert, packten nun aber im frühen Licht des Tages zusammen und bereiteten sich auf ihren Aufbruch vor. Flax’ Gesicht erstarrte, doch er hielt Cam in Bewegung, während er den Soldaten gegenüber eine Hand wie zur beiläufigen Begrüßung erhob. Doch einer von ihnen, ein robuster, gut aussehender Mann von etwas mehr als dreißig Jahren, stellte sich ihnen in den Weg und hob seinerseits die Hand, um sie zum Stehen zu bewegen. Er trug den Armring, der ihn als Sergeant auswies.
Flax nickte freundlich und zügelte Cam. »Morgen.«
»Ihr seid früh unterwegs«, sagte der Mann.
»Wir wollen nach Carlion. Das ist ein langer Weg, also sind wir früh aufgebrochen.«
»Woher kommt ihr?«
»Baluchston«, sagte Flax in der Hoffnung, damit die richtige Wahl getroffen zu haben. Es war die einzige freie Stadt, die auf dieser Straße lag, und sie mussten aus einer freien Stadt kommen, wenn sie hier davonkommen wollten.
»Wirklich?«, sagte der Sergeant und drehte sich zu Swallow und Rowan um. Das war schlecht. Flax zwang sich dazu, seinem Blick nicht zu folgen. »Bleib mal kurz hier, Junge.«
Der Sergeant ging zurück, um mit einem weiteren Mann zu sprechen, einem hochaufgeschossenen, hellhaarigen Offizier, der den unverkennbaren Pferdeschwanz trug und gerade im Begriff war, auf einen großen rotbraunen Wallach zu steigen.
Er sah genauso aus wie ein Krieger aus den alten Geschichten, jene Art Mann, der Flax als kleiner Junge insgeheim hatte sein wollen, bevor er seine Stimme entdeckt hatte. Er hatte sich dafür geschämt, aber nichtsdestotrotz davon geträumt, hoch und ansehnlich auf einem Jagdhengst zu reiten – obwohl er als Kind eines Pferdeausbilders wusste, dass nur wenige Hengste gute Jagdpferde abgaben. Zum ersten Mal dachte er, dass er vielleicht eines Tages, wenn er genug hatte vom Wandern, zurückkehren und seinem Vater helfen könnte …
Wenn er mit dieser Situation hier nicht fertigwurde, würde es keine Zukunft geben und keine Gelegenheit, seinen Vater jemals wiederzusehen. Er schluckte seine Angst herunter und bereitete sich darauf vor, zu lügen, so lange, bis er eine lange Nase bekäme, wie es nach den Worten der alten Mütter geschah, wenn man schwindelte.
Aber er bekam gar nicht erst die Gelegenheit dazu.
Der Offizier warf einen Blick auf Rowan und Swallow und dann einen genaueren Blick auf ihn. Dann sagte er schlicht: »Es tut mir leid, aber alle Wanderer aus Baluchston müssen in die Festung von Sendat.«
»Ich bin kein Wanderer!« Flax bemühte sich, so viel Entrüstung in seine Stimme zu legen, wie er konnte.
»Nicht?« Der Mann schien bereit, mit ihm eine Ausnahme zu machen, doch dann kam einer seiner Soldaten zu ihm und flüsterte ihm etwas zu. Der Offizier presste seine Lippen zusammen – bei den Göttern, ein hinreißender Mund! -, als wäre er enttäuscht, und wandte sich dann Flax zu. »Dern sagt, er hat dich singen gesehen. Eine Stimme wie eine Lerche, sagt er. Ein Wanderer.«
Das war bittersüß, durch sein
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