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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Sorn
müssten es organisiert haben. Ihr fiel kein anderer ein, der so etwas für sie hätte tun können.
    Sie weinte. Das war in Ordnung. Ich hatte meine Mama so weinen sehen, als mein Bruder Vater wurde. Es bedeutete, dass ich ihr ein gutes Haus gebaut hatte und es ihr gefiel. Ich war sehr zufrieden. Das war alles, was ich brauchte, dachte ich. Dann trat er hinter sie, und sie drehte sich zu ihm um und legte ihr Gesicht an seine Schulter, und er legte die Arme um sie.
    Ich ging.
    Mehr konnte ich nicht tun. Nicht für sie, nicht für mich. Nicht, solange sie ihn liebte. Nicht einmal, wenn sie es nicht getan hätte. Aber zum ersten Mal in meinem Leben überlegte ich, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich blonde Haare gehabt hätte. Wenn ich bei diesem ersten Mal auf sie hätte zugehen können, in ihrem alten Dorf. Wenn ich gesagt hätte: »Ein schöner Morgen, nicht wahr?«, während wir vom Altar weggingen. Wenn ich ihr den Hof gemacht hätte. Sie erobert hätte. Ihr ein gutes Haus gebaut hätte, ein starkes Haus, auf das sie vertrauen konnte, in dem wir beide gelebt hätten.
    Nicht in diesem Leben. Nirgendwo in den Domänen. Nicht jetzt und wahrscheinlich nie. Aber ich dachte nach. Verspürte Wünsche. Zum ersten Mal war ich wütend darauf, dass es nicht gerecht zuging, noch nie. Dachte: »So dürfte es nicht sein.«
    Und so sollte es auch nicht sein.

Saker
    Vor ihm sperrten Soldaten die Straße ab und kontrollierten jeden. Dabei war es nicht so, als wären viele Menschen unterwegs gewesen, die sie hätten anhalten können. Wer immer konnte, suchte zitternd vor Angst hinter seinen Läden Schutz.
    Saker lächelte, doch als er sah, wie die Gesellschaft aus Kaufleuten vor ihm in zwei Gruppen geteilt wurde, verblasste sein Lächeln. Den einen, Blonden und Rothaarigen, wurde es gestattet, weiter ihres Weges zu gehen. Die anderen, Dunkelhaarige, wurde zusammengedrängt an der Seite festgehalten, an der sich die Straße zu einer Flussaue verbreiterte.
    Sein eigenes Haar war rötlich braun. Er führte stets ein paar Hagebutten mit sich, um es heller zu färben, weil es dann gewöhnlicher aussah, falls er überprüft würde. »O ja, Sergeant, Hagebuttentee tut einem wirklich gut.« Bei wem hingegen Henna gefunden wurde, eingetauscht aus den Wind Cities, den verdächtigte man als getarnten Wanderer und behandelte ihn übel. Bevor Saker sich aus der Mühle gewagt hatte, hatte er sein Haar besonders sorgfältig gefärbt. Aber würden die Soldaten darauf hereinfallen?
    Er steckte den Beutel mit den Steinen in die Jacke. Zwar waren Steinedeuter nicht immer Wanderer, meistens aber eben doch. Er erinnerte sich an die rothaarige Frau aus Carlion, die Wandererblut in den Adern gehabt hatte … Vielleicht
hatten ja die Steinedeuter, die keine Wanderer waren, wie sie dennoch altes Blut in den Adern.
    Während er auf die Soldaten zusteuerte, schnürte sich ihm die Kehle zu. Wenn sie die Knochen in seinem Rucksack finden würden, das war ihm bewusst, war sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Ein Sergeant hatte das Kommando, ein korpulenter, grauhaariger Mann Mitte fünfzig. »Ho, Sir!«, sagte er mit berufsmäßiger Leutseligkeit. »Wohin des Weges?«
    »Sendat«, erwiderte Saker lächelnd. »Ich habe dort Familie, und es heißt, es sei im Moment der sicherste Ort von allen Domänen.«
    »Familie, hä?« Der Sergeant betrachtete ihn näher. »Und das wären?«
    Saker pries seine langen Jahre, in denen er als Steinedeuter von Stadt zu Stadt gezogen war. »Der alte Lefric, der Stuhlmacher«, sagte er mit Überzeugung. »Er ist mein Großonkel.« Und das würde Lefric sogar bestätigen, weil er, nachdem er Sakers erfundene Abstammung bei einem Getränk im Gasthof gehört hatte, beschlossen hatte, er sei der Freund seiner Nichte Sarnie aus Whitehaven. Er hatte Saker an jenem Abend zu sich nach Hause eingeladen, und Saker hatte seitdem mehrmals bei dem alten Mann übernachtet, weil er sich schon gedacht hatte, dass einmal eine Zeit kommen könnte, in der es praktisch war, wenn man Familie vorweisen konnte. In diesem Augenblick war er sehr zufrieden mit seiner Voraussicht.
    »Lefric?«, fragte der Sergeant. »Der ist ja ein rechter Trinker.«
    Das war eine Prüfung.
    »Ich glaube, Ihr müsst ihn mit jemand anderem verwechseln, Sergeant«, sagte Saker. »Mein Onkel trinkt höchstens mal ein kleines Bier.«

    Der Sergeant lächelte. »In Ordnung, weitergehen.« Er wandte seine Aufmerksamkeit einer anderen Reisegesellschaft zu und entließ

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