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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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suchend die Straße entlang, dankbar für die schmalen Lichtstreifen, die aus der Tür eines Gasthofs drangen oder aus einem Zimmer im Obergeschoss, wo jemand sich darauf vorbereitete, zur Arbeit zu gehen, oder bumste oder an einem Krankenbett wachte.
    Während er an den verschlossenen Häusern vorbeistolperte, jedes mit seinen eigenen Bewohnern, seiner eigenen Welt, fühlte sich Saker vollkommen einsam. Allein war er immer schon gewesen, doch an jedem Haus vorbeigehen zu müssen und zu wissen, dass dort kein Platz für ihn war, keine Familie, keine Rolle, die er einnehmen konnte, bedrückte ihn heute Nacht noch mehr als sonst. Er kam sich selbst vor wie ein Geist, der für immer ausgeschlossen war aus der menschlichen Gesellschaft und der menschlichen Liebe. Um nicht vorwärtskriechen zu müssen, berührte er eine Hausmauer nach der anderen, und jede Berührung war ein anderer Ort, an den er nicht gehörte, jedes Haus stand für eine weitere Zurückweisung. Sein Blut rauschte ihm laut in den Ohren, abgehackt und schluchzend.
    Er rannte geradezu, als er das letzte Haus erreichte. Es stand in einem Gässchen, von dem er wegen seiner früheren Beobachtungen wusste, dass es nicht bewacht sein würde. Dies traf auch zu, doch er hatte nicht daran gedacht, langsam und vorsichtig zu gehen. Er musste einfach weg von diesen Häusern, von all diesen Dingen, die er niemals haben würde.
    Doch wenn Actons Volk erst einmal ausgelöscht war, konnte er natürlich darüber nachdenken, einen Platz für sich zu finden, sogar eine Familie … Er verlangsamte seine Schritte, und seine Atmung beruhigte sich wieder.

    Heller geworden war es noch nicht, doch die Wolkendecke wurde lichter, und bald würde das Sternenlicht ihm den Weg weisen. Der Wind schien die Einsamkeit fortzufegen – hier draußen allein zu sein war etwas anderes, als in einer Stadt allein zu sein. Entschlossen ging er die kleine Gasse entlang, die sich in einer weiten Schleife wand, bevor sie zu dem Buschwald führte.
    Als er den Teich endlich erreicht hatte, ließ ihn etwas zögern. Es war kein starkes Gefühl, nicht so wie seherische Fähigkeit, aber … Er drehte sich um und ging auf den Buschwald zu.
    Dort befand sich eine kleine Lichtung, auf der die Köhler arbeiteten, doch im Frühsommer waren sie schon lange weg, und lediglich der Geruch von verkohltem Holz hing in der Luft. Hier traf er seine Vorbereitungen, legte die Knochen auf ein Stück Leinen, wobei er die Schädel seines Vaters und Owls als letzte herausholte und sie in die vordere Reihe platzierte. Sein Vater würde von seiner Armee beeindruckt sein, davon war Saker überzeugt. Er sah gen Himmel, der sich allmählich erhellte und jenes klare Grau zeigte, das einen sonnigen Tag verhieß.
    Saker wartete so lange, wie er es wagte. Falls die Geister bei Sonnenaufgang verblassten, konnte er es nicht riskieren, dass sie vorher gesehen wurden. Doch die noch verbleibenden Wolken färbten sich nun rosarot ein. Die Zeit war gekommen.
    »Ich bin Saker, Sohn von Alder und Linnet aus dem Dorf Cliffhaven. Ich strebe nach Gerechtigkeit …«
    Die Stärke des Zaubers lag in Erinnerungen, und endlich begriff er dies, konnte auf sie und auf die Erinnerungen, die mit diesen Knochen vergraben worden waren, zurückgreifen: Phrasen von Musik, ein bestimmter Geruch, ein Schrei. Es gestaltete sich schwieriger, als er erwartet hatte, sowohl
auf die Erinnerungen in den Knochen als auch auf seine eigenen zurückzugreifen. Es bedeutete, dass er ihre Verzweiflung durchleben musste. Und ihre Wut. Ja. Ihre Wut würde seinen eigenen berechtigten Zorn nähren und ihm genügend Kraft verleihen, um sie erneut zu erwecken.
    »Erwachet, Alder und Owl und all eure Kameraden, erkennet mein Blut als das eure, strebt nur nach dem Blut von Fremden …«
    Er hörte etwas und hielt inne. Es war etwas Hohes und Beunruhigendes, wie Fledermausschreie, ein Geräusch, das so hoch war, dass er es eher spürte als hörte. Es lief ihm eiskalt über den Rücken. Rasch sah er sich um, doch außer den Bäumen und dem sich erhellenden Himmel war nichts zu sehen. Vielleicht waren es die Seelen seiner Armee, erpicht darauf, vom Tod zurückgeholt zu werden. Trotz seines Unbehagens hob er sein Messer und ließ es niederfahren.
    Als das Blut auf die bleichen Knochen spritzte, erhoben sich zuerst sein Vater und Owl, nur durch einen Herzschlag getrennt, bevor das Blut aufhörte, aus seiner Handfläche zu rinnen. Dann folgten ihnen andere. Das Geräusch am Rande

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