Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
du!«
    Alle schauten auf Harka. Da packte diesen ein unbestimmter Zorn, denn er hatte schon einmal in seinem Leben ein solches Geheimniseisen opfern müssen, ohne es selbst zu wollen. Das war im vergangenen Frühjahr gewesen. Sein Zorn war ziel- und richtungslos, oder vielleicht richtete er sich auch gegen alle, gegen diesen Gefangenen, der es gerade auf ihn und seine Büchse abgesehen hatte, auch gegen den Vater, der nicht dagegen einschritt, gegen diese Siksikau, die das Verlangen ihres Gefangenen erfüllen wollten, weil sie sich ein sonderbares Vergnügen davon versprachen, und die das auf Kosten Harkas zu tun gedachten. Dumm waren sie und wußten nicht, wie man eine Büchse behandeln mußte. In seinem ausweglosen Zorn dachte Harka alle zugleich zu bestrafen, gerade dadurch, daß er den allgemeinen Wunsch erfüllte. Sollten sie nur erleben, was daraus wurde, wenn eine Waffe in die Reichweite eines solchen Gefangenen geriet!
    Harka sprang zwischen die Feuer. Es wurde ihm brennend heiß, so daß er sich wunderte, wie Tashunka- witko das so lange aushielt, ohne den Verstand zu verlieren. Der Junge hielt den Lauf kurz in die Flammen, dann hielt er ihn dem Gefangenen hin. Tashunka-witko packte das heiße Eisen, an dem seine Haut kleben bleiben mußte. Er schwang den Kolben hoch, sprang mit einem mächtigen Satz durch das Feuer hindurch und schlug den jungen Krieger nieder, der ihm dort im Wege stand.
    Nach eine Sekunde der vollständigen Verblüffung brüllten die Umstehenden auf. Alles rannte nach der Seite, nach der Tashunka-witko entflohen war. Harka rannte mit, aber er empfand, das war nicht zu leugnen, eine gewisse Genugtuung über den Schaden, den der Gefangene mit der Büchse anrichtete.
    Der Flüchtling war schon bei den Pferden. Die ersten Verfolger kamen zur Herde, als er sich bereits aufschwang. Den einen Pferdewächter hatte er ebenfalls mit dem Kolben niedergeschlagen, dessen Messer an sich gerissen. Jetzt brauste er in die Nacht hinein, auf dem Mustang des Häuptlings, dem hier kein zweites Pferd gleichkam. Ob er ihn bewußt oder zufällig gewählt hatte, konnte niemand wissen. Mit einem schrillen Hohngeschrei schwang der Entfliehende im Reiten die Büchse hoch über seinem Haupt.
    Die Krieger sprangen auf die Tiere, und es begann eine wilde, halsbrecherische Jagd in die Finsternis. Die Verfolger spannten die Bogen und legten die Pfeile ein, aber Tashunka-witko hing sich an die Seite seines galoppierenden Pferdes, und wenn die Krieger nicht das Pferd erschießen wollten, konnten sie den Reiter nicht treffen. Er glitt schließlich unter den Bauch des Tieres, so daß er durch den Tierleib ganz gedeckt war. Der Fuß, mit dem er in der Haarschlinge am Rist des Mustangs hing, war in der Dunkelheit und bei der schnellen Bewegung über Wiesentäler und -hügel kaum wahrzunehmen.
    Häuptling Brennendes Wasser war außer sich vor Zorn. Er versandte den Pfeil und schoß nach seinem eigenen herrlichen Tier. Es stürzte, und gleich darauf waren die Männer schon zur Stelle. Aber Tashunka-witko war verschwunden.
    Die Verfolger zerstreuten sich, um in der Nacht zu suchen. Dahin und dorthin ritten sie, einige sprangen ab und suchten zu Fuß. Der Flüchtling war wie vom Erdboden verschluckt.
    Die innere Unruhe der Dorfbewohner wurde nach außen hin nur in zweckentsprechendem Verhalten merkbar. Alle blieben wach. Die Alten und diejenigen Burschen, die sich nicht an der Suche nach dem Flüchtling beteiligten, hatten die Waffen zur Hand und spähten aus. Von den Frauen und Kindern gingen nur einige in die Zelte zurück. Viele blieben auf dem Dorfplatz, wo die großen Feuer langsam niederbrannten und der Opferpfahl zwischen rotem Flammenlicht und wachsenden Schatten fast lebendig wirkte.
    Harka gesellte sich zu denen, die auf dem Dorfplatz umherstanden. In die einsame Behausung am Ende des Lagers zu gehen und dort allein zu sein, gelüstete ihn nicht. Wenn er daran dachte, glaubte er den Griff an der Gurgel wieder zu spüren. Auch der Junge aus dem Häuptlingszelt stand noch bei den Frauen, hielt aber sorgfältig Abstand von Harka.
    Die Feuer erloschen. Der Wind der ausgehenden Nacht spielte mit der Asche. Die Burschen zogen den Pfahl heraus und brachten ihn wieder zum Zauberzelt.
    Als der Morgen zu grauen begann, kehrten die Reiter, die nach dem Entflohenen gesucht hatten, ohne Erfolg, daher grimmig gelaunt zurück. Die beiden jungen Krieger, die der Flüchtling niedergeschlagen hatte, befanden sich in der Pflege des

Weitere Kostenlose Bücher