Die Höhle in den Schwarzen Bergen
wissen wir nicht.«
»Wohin ist er denn gegangen?«
»Er ist geritten.«
»Geritten? Ich meine … ich wollte ihn doch noch einmal sprechen!«
»Das wußte er nicht.«
»Er ist doch nicht etwa … doch nicht etwa für immer fortgeritten?«
»Wer weiß das?«
Charlemagne mißhandelte seinen Bart. »Ist er etwa auf dem Weg zu seinem Vater?«
»Nein«, erwiderte Stark wie ein Hirsch, obgleich es sich nicht geziemte, daß er als Junge unaufgefordert das Wort ergriff. Aber Kluge Schlange hatte ihm durch ein Zögern die Gelegenheit dazu gegeben. Stark wie ein Hirsch schämte sich nicht, mit seiner Antwort dem Jäger die Unwahrheit zu sagen, denn er betrachtete ihn als seinen Feind, der durch seine Nachrichten Harka vertrieben hatte, und er stellte ihm ohne Skrupel eine Falle wie ein Jäger einem Biber.
»Nicht zu seinem Vater?!«
»Nein, dort würde man ihn vielleicht suchen. Er will aber von niemandem gefunden werden.«
»Donnerwetter, was für ein Blödsinn! So ein Junge ganz auf sich gestellt, an der Grenze, in der Wildnis, der geht doch zugrunde!«
»Er geht lieber in der Prärie zugrunde, die seine Heimat ist, als in einem Erziehungsgefängnis der weißen Männer.«
»Wegen des Internats für Indianerkinder, von dem ich gesprochen habe, läuft er einfach davon? Himmel und Hölle, wer konnte das ahnen! So ernst war das doch nicht gemeint!«
Stark wie ein Hirsch verzog die Miene mit Spott und Haß. »Harka aber hat es ernst genommen. Du wirst ihn nicht wiedersehen, Charlemagne.«
Der Jäger schlug sich an die Stirn. »So etwas Hirnverbranntes! Weg, einfach weg! Ich komme gerade hierher, um anzubieten, daß ich mit dem Jungen zu den Black Hills reiten und ihm helfen will, seinen Vater zu finden, und er reitet so mir nichts, dir nichts mitten in der Nacht weg! Gar nicht zu fassen! Das ist doch, das ist doch … also wieder einmal typisch indianisch. Wer soll sich mit euch Rothäuten auskennen! Und ihr laßt das Kind weglaufen, einfach in sein Unglück rennen?«
»Ja.«
»Da hört sich doch alles auf. Gehabt euch wohl!« Charlemagne stapfte weg. Jeder Schritt, den er machte, bedeutete einen Fußtritt gegen diesen Indianer, der ihn foppte, gegen diesen dummen Jungen, der einfach fortritt, gegen die Glücksgöttin, die Charlemagne wieder ihre Huld versagt hatte.
Da saß er nun! Aus war es mit allen Plänen, Jim auf die Spur zu kommen, mit Harry zusammen bei Mattotaupa zu erscheinen und dessen Dankbarkeit zu fordern. Aus war es, aus.
Nichts blieb von allem übrig als Pferd, Büchse, Revolver, Messer und Kleidung. Das war wenig genug, wenn ein armer Teufel schon von unermeßlichen Reichtümern und der Möglichkeit geträumt hatte, nie mehr arbeiten zu müssen.
Eine nicht abreißende Kette von Flüchen vor sich hin murmelnd, gelangte Charlemagne in das Blockhaus und die Gaststube zurück und betrank sich am frühen Morgen.
Als ihm schon schwindlig wurde und er die Stube nur noch wie im Nebel sah, fragte er Old Abraham noch: »Abrakadabra, was meinst du, kann ich die Spur des nichtsnutzigen Bengels verfolgen?«
»Versuchen kannst du das, Charlemagne, aber Harry ist der Sohn Mattotaupas, und wenn er sich nicht finden lassen will, findest du ihn nicht. Er hat eine gute Schule durchgemacht.«
»Noch einen Brandy, Abrakadabra! Jetzt ist alles egal.«
Der Wirt setzte sich zu Charles. »Was machst du dir nur für einen Kummer! Laß doch den roten Lausbuben reiten, wohin er will! Du bist nicht sein Vater.«
»Abrakadabra, du bist unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Der Vater dieses Lausbuben weiß, wo es in den Black Hills Gold gibt! Verstehst du?«
»Ach so! Dann allerdings! Ich hole dir noch einen Brandy, aber deinen Rausch schläfst du dann gefälligst draußen aus. Dafür ist meine Stube nicht da.«
Abraham entfernte sich, Charlemagne stierte ihm nach. Seine Gedanken verwirrten sich.
Drei in der Höhle
Harka Steinhart Nachtauge gab sich über die Schwierigkeiten, die ihm bevorstanden, keiner Selbsttäuschung hin. Ein Mensch allein, wenn er auch Pferd, Waffen und Feuerzeug besitzen mochte, war ein winziges und leicht zu vernichtendes Etwas zwischen reißenden Strömen, unwegsamen Wäldern und baumlosen Steppen, zwischen hungrigen Raubtieren und feindseligen Menschen und zwischen Stürmen, Kälte und Schnee, wie sie der bevorstehende Winter mit sich bringen würde.
Als Harka seinen Ritt allein begann, war er sich aber nicht nur über die ihm bevorstehenden Strapazen und Gefahren klar,
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