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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gelangt, mehr als selbst die größte Vorsicht nötig machen konnte. An einer einsamen Stelle, die im Winter nicht einmal das Wild aufzusuchen schien, da der Boden steinig und unfruchtbar war, hielt Mattotaupa an. Die Bäume standen hier spärlich. Sie waren verkrüppelt, geknickt, zerzaust und bemoost. Der Wind fegte dahin. Die Oberfläche der Schneepolster, die sich an den Steinen angesetzt hatten, war vereist. Unwirtlich und feindlich gegen Mensch und Tier wirkte der Ort.
    Mattotaupa prüfte alles rings mit den Augen, dann ging er, immer auf Steine tretend und ohne eine Spur zu verursachen, zu einem größeren Felsblock. Er lockerte behutsam das angefrorene Moospolster, das den Stein mit dem Boden verband, hob den Block ein Stück hoch, und auf einen Wink des Vaters mit den Augen schob Harka zwei kleinere Steine unter die Kanten des Blocks, so daß dieser nicht zurückfallen konnte.
    An der Stelle, von der der Indianer den Stein gehoben hatte, gähnte ein dunkles Loch. »Hier steigen wir ein.«
    Der Einstieg war nur am obersten Rande eng, dann verhältnismäßig bequem. Die beiden kleineren Steine zog Harka, sobald er sich in der Höhlung befand, wieder weg, und den Block ließ er so vorsichtig zurückgleiten, daß auch das Moospolster in seine alte Lage gelangen mußte. Er hatte den Eindruck, daß dieser Höhlenzugang künstlich und geschickt mit dem großen Stein verschlossen und verborgen worden war.
    Mattotaupa kletterte in dem Höhlenraum abwärts, und Harka folgte ihm ohne Schwierigkeiten, da der Fels griffig war. Es war finster, und nur der Tastsinn konnte weiterhelfen. Die beiden Indianer drangen eine gute Strecke in den Berg ein. Schließlich gelangten sie an eine Kreuzung, und Mattotaupa wechselte in einen anderen Höhlenarm über. Dabei legte er eine kurze Rast ein und unterrichtete Harka: »Der Gang, in dem wir bisher geklettert sind, führt hinunter zu dem Wasserfall. Er gabelt sich vorher noch einmal; das ist auch wichtig, weil die Abzweigung, zu der wir jetzt vordringen, ebenfalls einen Ausgang ins Freie hat, unter einer Baumwurzel. Dorthin führe ich dich jetzt nicht; du kannst es dir aber merken. Unterhalb des Wasserfalls ist eine Felsnische …«
    »Ich kenne sie.«
    »Gut. Damit bist du vertraut. Ich mache aber jetzt einen Weg mit dir, den unter den lebenden Menschen niemand kennt als ich und niemand kennenlernen wird als du.«
    Mattotaupa kletterte in dem neuen Höhlenarm weiter. Das Vorwärtskommen war hier viel schwieriger. Das Gestein bröckelte leicht. An einigen Stellen war der Gang fast ganz verstopft. Mattotaupa mußte heruntergefallenes Gestein erst vorsichtig wegräumen, ehe er mit Harka weiterkam. Die Luft wurde immer schlechter. Harka spürte eine wachsende Müdigkeit und merkte, daß auch der Vater noch langsamer wurde, als die Schwierigkeiten des Gesteins erforderten. Doch erlaubte Mattotaupa sich selbst und Harka kein Verweilen, da sie ersticken konnten, wenn sie zu lange in der giftigen Luft blieben.
    Der Höhlenarm hob und senkte sich und mündete endlich in einen geräumigen Höhlenabschnitt. Aus diesem führte wiederum ein Gang weiter. Harka sog die Luft ein, die hier wieder frischer war. Gleichzeitig machte er eine neue Wahrnehmung. Fr hatte auf einmal etwas im Griff, was sich wie ein loser Knochen anfühlte.
    Mattotaupa hatte sich hingesetzt. Harka hockte sich dicht neben den Vater, der sich mit seinem Feuerzeug beschäftigte. Funken glühten auf, und Mattotaupa brachte etwas getrockneten Büffelmist zum Brennen, den die Indianer auch beim Anzünden der Pfeife als besonders leicht brennbares Material benutzten.
    Der Höhlenraum war größer, als Harka im Dunkeln vermutet hatte. Im Schein der kleinen Flammen begriff er auch sofort, was er in der Hand gefaßt hielt. Tierknochen lagen hier umher, auch zwei riesige Bärenschädel, größer als der Schädel eines Grizzlys. Die meisten Knochen waren sehr alt, längst getrocknet und gebleicht. Harkas Blick streifte über diese hinweg und fing sich an einem menschlichen Schädel mit zerstörter Hirnschale.
    Mattotaupa ließ den Büffelmist abbrennen und entzündete noch seine Pfeife damit. Es wurde wieder finster. Die Stille war so vollkommen, daß sie wie ein körperlicher Druck wirkte und das Ohr sich nach einem Laut zu sehnen begann.
    »Das ist der Zauber der Höhle«, flüsterte Mattotaupa. »Niemand hat die große Bärin je gesehen, aber sie lebt und wohnt hier in diesem Berg, Sie lebte schon vor Urzeiten. Du weißt es. Ihr

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