Die Höhle in den Schwarzen Bergen
jedermann, der es wissen wollte, kundtaten, wo sie sich zur Nacht niedergelassen hatten. Natürlich mußte Mattotaupa die Mutmaßungen, die Harka hegte, auch schon angestellt haben, und er mußte wissen, daß die Aufgabe, die Harka übernommen hatte, zwar leicht schien, aber nicht ganz so leicht war. Da Harka sich im selbständigen Arbeiten üben wollte, hatte der Vater natürlich nicht vorweg auf das aufmerksam machen dürfen, was es alles zu bedenken gab. Der junge Bursche hatte den Vater im Verdacht, daß dieser ihm sogar ein Stück nachschleichen würde, um gewiß zu sein, ob Harka sich vorsichtig und umsichtig genug verhielt. Dieser Gedanke veranlaßte Harka noch dringender und unmittelbarer als die möglichen Gefahren, sich auch nicht die geringste Nachlässigkeit zuschulden kommen zu lassen.
Er nutzte alle Vorteile des welligen Geländes für Ausblick sowohl als auch für gute Deckung und kam zunächst rasch vorwärts. Es lag nicht in seiner Absicht, die erforderliche Vorsicht in ein Übermaß zu treiben und dadurch Zeit zu verlieren. Bald war er mit dem Charakter des Geländes, in dem der Trupp der Weißen lagerte, so bekannt, daß er seinen Plan für das weitere Vorhaben auch schon fertig hatte. Die fünfzig Reiter hatten ihr Lager in einem Tal an einem Bach aufgeschlagen, der jetzt im Frühling genug Wasser führte. An den Ufern des Baches, der von Westen her nach Ostnordost floß, standen Erlen, Weiden und anderes Gebüsch. Harka gewann eine Uferhöhe, noch weit bachabwärts, aber mit gutem Ausblick, und beobachtete von hier aus das Lager. Die Pferde waren an den Bachufern angepflockt, in zwei Gruppen, rechts und links des Wassers. Fünf Feuer brannten, davon eines am Lagerende, noch diesseits der Pferde, die vier anderen bachaufwärts in der Reihe, alle am linken Ufer, das besser Platz gab. Das Lager war also langgestreckt. Etwa in der Mitte stieg das südliche Hochufer zu einem Hügel an, und wenn die weißen Männer auf dieser Hügelkuppe keine Wachtposten aufgestellt hatten, waren sie dümmer als ein Präriehuhn. Mattotaupa hatte seinen Sohn gelehrt, Gegner oder Fremde jedoch nie von vornherein für dumm zu halten, sondern lieber damit zu rechnen, daß sie sich klug und geschickt verhalten würden. Harka ging also davon aus, daß die weißen Männer diese Anhöhe mit Spähern besetzt hielten und daß sich oberhalb und unterhalb des Lagers auch im Ufergebüsch Wachen befanden. Die Anführer saßen wahrscheinlich unterhalb der Hügelkuppe, in der Mitte des Lagers, als nächste bei den Pferden. Das war der beste Platz. Harka überlegte, von welcher Seite er an das Lager herankommen könnte. Vor allem mußte er vermeiden, von der Anhöhe aus gesehen zu werden. Die Männer an den Feuern waren sicher nicht besonders aufmerksam, und etwaige Posten im Ufergebüsch hatten keinen großen Gesichtskreis.
Harka beschloß, sich im Schutze der Bäume und Sträucher an den Bachufern näher zu schleichen, und zwar von oben, von Westen her, da ihn die Pferde im unteren Teil des Lagers nicht interessierten und auch durch ihre Aufmerksamkeit nur stören konnten. Allerdings mußte er damit rechnen, daß jeder andere indianische Späher ebenfalls diesen Weg versuchen würde. Diese Gefahr und diejenige, die von einem Wächter am Bach ausgehen konnte, wollte er in Kauf nehmen.
Er schlug einen weiten Bogen nördlich um das Lager, gelangte oberhalb bis an den Bach, ohne daß ihm etwas aufgefallen wäre oder ihn jemand gestört hätte, und begann jetzt, sich mit äußerster Vorsicht dem Lager zu nähern.
Dabei bemerkte er, daß er bei seinem Vorhaben tatsächlich nicht allein war. Außer ihm waren noch mindestens zwei Späher unterwegs. Der eine befand sich auf dem anderen Ufer, etwa in gleicher Höhe wie Harka, der zweite auf derselben Uferseite schon bedeutend weiter vorgedrungen. Es war durchaus möglich, daß derjenige am anderen Ufer auch seinerseits Harka bemerkt hatte, aber ihn ebenso wenig aufstören wollte wie Harka ihn. Das gemeinsame Interesse der untereinander unbekannten Kundschafter bestand darin, von den Weißen im Lager nicht entdeckt zu werden. Auf diese gegenseitige Rücksichtnahme verließ sich Harka vorläufig und schlich weiter. Daß die beiden fremden Späher auch Indianer waren, wußte er, denn von demjenigen auf dem anderen Ufer hatte er einen Zopf zwischen Gesträuch wahrgenommen, von dem zweiten, der ihm vorausschlich, den Abdruck der Ferse seines Mokassins im Ufersand.
Es waren dunkle
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