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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gegenüber dem lautstarken Sprecher kaum zu Worte. Daß das Thema an diesem Abend noch einmal ausführlich besprochen wurde, nahm Harka nicht wunder, stand die Ausführung des Unternehmens nach einem tagelangen Anritt doch jetzt unmittelbar bevor.
    Harkas Empfindungen spalteten sich. Vor zwei Jahren hatten der schon verbannte Vater und er zusammen der Bärenbande noch gegen einen schweren Angriff der Pani beigestanden, dafür aber bei den Häuptlingen und Ältesten keinerlei Dank oder Anerkennung geerntet. Die Krieger der Bärenbande mochten sich also diesmal allein verteidigen. Sie hatten ihre Waffen. Aber Uinonah, Harkas Schwester, die er sehr geliebt hatte, und Untschida, die Mutter Mattotaupas, mit dem großen Ansehen einer Geheimnisfrau und auch für Harka Mutter in dem letzten Sommer, den er daheim verlebt hatte, sie vermochten sich nicht zu schützen, und vielleicht hatten sie noch keinen Krieger im Zelte, der ihren Schutz übernahm. Harka mochte nicht daran denken, daß Untschida und Uinonah niedergeritten, niedergetrampelt, geschlagen, mißhandelt und vielleicht getötet werden sollten. Er konnte es nicht ertragen, sich das vorzustellen. Er vertraute auch nicht darauf, daß die Krieger der Bärenbande, mit sich und ihren Familien genügend beschäftigt und belastet, die beiden Frauen aus dem »Zelte des Verräters Mattotaupa« mit aller Kraft schirmen würden. Wenn er an Schonka dachte, der hier neben ihm im Gebüsch lag, so schien es ihm gewiß, daß dieser Bursche zum Beispiel sich über ein Unglück Untschidas und Uinonahs eher freuen als daß er dagegen einschreiten würde.
    Während Harka still auf seinem Lauscherplatz lag, begann er zu rechnen. Die weißen Männer wollten kurz vor Sonnenaufgang aufbrechen und die Zelte der Bärenbande am kommenden Mittag zerstören. Sie ließen ihre Pferde den größten Teil des Rittes traben; in diesem Tempo konnte Harka leicht zu Fuß laufen.
    Wenn er sich jetzt aufmachte, zu den Zelten eilte und vor Tagesanbruch Uinonah warnte …, dann hatte er sie allerdings alle mitgewarnt, den feindseligen Zauberer, die Ältesten, die Mattotaupa ungerecht verurteilt hatten, Tschetan, der Harka für den Sohn eines Verräters hielt. Alle waren sie gewarnt, denn Uinonah würde kaum schweigen. Wenn er ihr aber aufgab zu schweigen, ehe er mit ihr sprach? Dann konnte sie nicht in die Wälder fliehen, ohne sich zu verraten. Es war schwer, und kein Ausweg schien offen. Auf den Gedanken, die Worte der Weißen für den Späher Schonka an seiner Seite zu übersetzen, kam Harka überhaupt nicht. Diesen Burschen haßte er.
    Harka sollte jetzt zum Vater und zu Joe zurückkehren und melden, was er erfahren hatte. Dazu war er als Kundschafter verpflichtet. Aber das Vorhaben der weißen Männer konnte Joe ebensowohl einen Tag später erfahren, ohne Schaden zu erleiden. Vielleicht war es sogar besser, wenn er nicht frühzeitig von dieser Sache hörte, denn es konnte ihn eine böse Lust anwandeln mitzumachen, und dann wehe allen, die in den Zelten am Pferdebach wohnten. Joe hatte selbst den Tag der toten Fische miterlebt. Es war die Befürchtung, daß Joe furchtbare Rache nehmen würde, die bei Harka alle anderen Bedenken durchbrach. Joe sollte nicht so bald erfahren, was hier gespielt wurde. Harka wollte zuerst seine Schwester Uinonah warnen. Und wenn sie auch gar nichts zu unternehmen vermochte, es war immer besser, auf eine Sache in Gedanken gut vorbereitet zu sein. Vielleicht konnte Harka doch etwas für das Mädchen und für die Großmutter tun. Nicht sie waren es gewesen, die Joes Gefährten vergiftet hatten.
    Harka zog sich lautlos aus dem Gebüsch zurück, ohne daß der andere Späher sich rührte.
    Als er so weit im Tal bachaufwärts gelangt war, daß er glaubte, sich ungesehen in die offene Prärie zurückziehen zu können, verließ er den Streifen der Büsche und Bäume am Ufer und schlängelte sich zu dem Hochufer hinauf. Er spähte ringsum. Nichts ließ sich sehen und hören, was ihm hätte hinderlich sein können. Die Zeit drängte aber, wenn er sein Vorhaben ausführen wollte. Er erhob sich und rannte in den Wellentälern der Grassteppe zunächst nordostwärts. Im Bogen wollte er zu den Zelten am Pferdebach gelangen. Es war fast der gleiche Weg, den Mattotaupa im vergangenen Sommer genommen hatte.
    Einmal oder zweimal war es ihm, als ob er hinter sich oder seitwärts etwas gehört habe. Folgte ihm Schonka oder der andere Kundschafter, dessen Zopf er am jenseitigen Flußufer erspäht

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