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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hatte? Harka hätte jetzt in Ruhe noch einmal beobachten müssen, und er versuchte es auch. Aber er konnte nichts entdecken, und seine innere Unruhe war inzwischen zu groß geworden, als daß er die äußere Ruhe noch ganz hätte aufrechterhalten können. Uinonah, die Schwester, war als Kind in einer wichtigen Sache seine Vertraute gewesen, obgleich sie nur ein Mädchen war; um seinetwillen hatte sie einmal gewagt, dem Zaubermann zu trotzen. Untschida hatte den heranwachsenden Knaben in seiner herben Art verstanden und unmerklich an seinem Leben teilgenommen. Sie war die einzige, die er in dieser Stunde hätte fragen mögen, ob er bei seinem heimlichen Lauf zu den Zelten auf dem rechten Wege sei oder nicht.
    Harka stoppte und strengte Gesicht und Gehör an wie verhoffendes Wild. Er glaubte nochmals Sprünge eines Menschen vernommen zu haben, aber nun war die Nacht wieder lautlos. Vielleicht hatte der Verfolger erlauscht, daß Harka seinen Lauf unterbrach, und hielt ebenfalls an, um sich nicht zu verraten. Der junge Indianer war kein Mensch, der gern von etwas Abstand nahm, was er sich einmal vorgesetzt hatte, auch dann nicht, wenn bei der Ausführung des Vorhabens die Gefahren zu wachsen schienen. Er nahm den Revolver in die Hand, um notfalls sofort und mitten im Laufen feuern zu können, und machte sich wieder auf den Weg, im Zickzack, hin und wieder anhaltend. Die Sprünge eines Menschen, der in großen Sätzen rannte, waren für sein feines Gehör doch noch einmal vernehmbar geworden, aber dann schienen sie zu verklingen, als habe der andere eine abweichende Route eingeschlagen. Wahrscheinlich war es ein Späher der Bärenbande, dem Harka zunächst verdächtig erschienen war, der aber nun keine Zeit mehr verlieren wollte, sondern geradewegs dem Zeltdorf am Pferdebach zustrebte, um dort über das Auftauchen der dreiundfünfzig schwerbewaffneten weißen Männer Nachricht zu geben.
    Hatte es überhaupt Sinn, daß Harka Uinonah und Untschida noch besonders warnte? Aber nur Harka, der die Sprache der weißen Männer verstand, kannte deren Vorhaben genau. Die anderen Späher konnten nur mutmaßen. Genügte das nicht auch? Suchte Harka nur vor sich selbst einen zureichenden Grund, ließ er seine Phantasie nur derart von Schreckbildern des geplanten Überfalls auf Männer, Frauen und Kinder überwältigen, weil er nach langem Umherirren dem heimatlichen Dorfe nahe war und Schwester und Großmutter noch einmal sehen und sprechen wollte? Der junge Indianer kannte sich selbst nicht mehr ganz. Aber er erinnerte sich, gehört zu haben, daß weiße Männer auch Frauen und Kinder skalpierten, und er lief wieder weiter. Sein Mund stand offen, und der Atem tat ihm weh bis tief in die Brust, so rannte er von nun an. Auf seine Umgebung achtete er erst wieder genau, als er dem Tal des Pferdebaches schon sehr nahe war.
    Er warf sich hin, kroch zum Hochufer des Bachtals und schaute bachaufwärts und bachabwärts. Der Geruch des Wassers stieg in nächtlichen Nebeln zu ihm herauf. Auskühlend strich ein Windhauch über seinen verschwitzten Nacken. Er vernahm das Rauschen der Wasser, die noch aus der großen Schneeschmelze der Berge gespeist wurden und breit und kräftig dahinflossen. Weiter oben flossen sie bei den Zelten, auch bei dem Zelte Uinonahs und Untschidas, vorbei, die am Abend noch aus diesem Bache Wasser geschöpft haben mochten.
    Harka wollte seinen Weg fortsetzen. Aber am Ufer des Baches, zwischen Dunkelheit und Nebel, wuchs eine große menschliche Gestalt auf und blieb regungslos stehen.
    Harka starrte auf die Erscheinung.
    Der da stand und zu Harka heraufzublicken schien, war ein Mann, ein Indianer. Sein Haar war gescheitelt, der Oberkörper war nackt. Er hatte eine Büchse im Arm.
    Dieser Mann war Mattotaupa.
    Harka wußte in demselben Augenblick, daß der Vater auch ihn gesehen haben mußte und den Sohn auf sich aufmerksam machen wollte. Wenn Mattotaupa sich offen zeigte, war es sicher, daß er keinen Feind in der Nähe vermutete. Harka konnte ruhig aufstehen und zu dem Vater hinuntergehen. Dennoch behielt er die Vorsicht eines Kundschafters bei und benutzte eine Wasserrinne am Hang des Hochufers, um hinunterzugleiten. Über die flache Uferstrecke huschte er dann bis hin zu dem Vater, der sich noch nicht gerührt hatte.
    Mattotaupa und Harka standen sich gegenüber.
    Mattotaupa ließ sich im Gebüsch nieder, und Harka setzte sich auch. Er wartete darauf, daß ihm der Vater sogleich eine Mitteilung machen werde. Aber

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