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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Nachtstunden. Das Licht der Sterne wurde von vorüberziehenden Wolken immer wieder verdeckt, und der Mond war noch nicht aufgegangen. Harka hörte das Stampfen der Pferde, das Knistern der Feuer, die Stimmen der weißen Männer. Von dem Kundschafter, der sich vor ihm befand, nahm er noch nichts weiter wahr, und auch derjenige am anderen Ufer blieb wieder ganz versteckt.
    Der junge Indianer drang vor, bis er nicht nur Stimmen hören, sondern auch die leise gesprochenen Worte verstehen konnte. Dann versteckte er sich gut zwischen Gesträuch. Zu seinem Bedauern schien einer der Sprecher mit besonders lauter Stimme eben verstummt oder zu einem entfernten Feuer gegangen zu sein. Harka wartete. Die weißen Männer waren offenbar unvorsichtig genug gewesen, im Ufergebüsch keine Wache zu postieren.
    Aber jetzt wurden die Zweige lautlos auseinandergebogen, und ein anderer Späher, ein Indianer, kam zurück und in das als Lauscherplatz sehr geeignete Gebüsch herein. Allem Vermuten nach handelte es sich um denjenigen, den Harka erst vor sich gehabt hatte. Harka faßte nach dem Messergriff und hielt sich sprungbereit. Aber der andere zeigte sich nicht angriffslustig. Die beiden Späher beäugten sich schnell, während beide zur selben Zeit auf die Geräusche lauschten, die vom Lager der weißen Männer her zu ihnen drangen.
    Harka stellte fest, daß der unbekannte Indianer auch noch ein junger Bursche sein mußte, wenn auch einige Jahre älter als er selbst. Vielleicht war er gerade Krieger geworden und legte mit diesem Kundschaftsgang ebenfalls eine Probe seiner Geschicklichkeit ab. Sein Oberkörper war nackt, die Haare trug er gescheitelt. Als Waffen hatte er nur ein Dolchmesser und die bei den Dakota gebräuchliche Steinkeule bei sich. Die beiden Kundschafter lagen sich auf eine Armlänge nahe. Harka kam der andere Bursche bekannt vor, aber das Gesicht konnte er nicht deutlich sehen; ein hoch aufgeschossenes Grasbüschel verbarg es.
    Keiner der beiden Späher rührte sich mehr. Aber Harka streifte die Gestalt des anderen immer wieder mit den Augen. Ein für einen Indianer verhältnismäßig breitschultriger Bursche war das; vom Nacken liefen kräftige Muskelstränge über Schultern und Arm. Harka konnte sich nicht irren. Diese Schultern und diese Arme kannte er, wenn er sie auch vor zwei Jahren zum letztenmal gesehen hatte und jetzt nur in nächtlicher Dunkelheit sah. Er kannte sie genau. Wie oft hatten dieser Bursche und der jüngere Harka bei den Zelten der Bärenbande ihre Kräfte und ihre Geschicklichkeit miteinander gemessen, im Ballspiel, im Wettlauf, beim Pferderennen, beim Schwimmen. Immer war Harka der überlegene geblieben, und den älteren Schonka hatte das erbittert. Die beiden hatten schon als Kinder nicht gut miteinander gestanden, auch später nicht, als der Vater Schonkas, der Friedenshäuptling der Bärenbande, starb und Mattotaupa die Witwe und ihren Sohn Schonka zu sich ins Zelt nahm, weil er seine eigene Frau durch die Kugel aus der Flinte eines Pani verloren hatte. In der Unterredung mit Tschetan hatte Harka erfahren, daß Scheschoka unterdessen mit dem gefangenen »Tom ohne Hut und Schuhe« verheiratet worden und daß dieser ihr wieder entlaufen war. Schonka, ihr Sohn, lag nun neben Harka Steinhart im Gebüsch, um weiße Männer zu belauschen.
    Der weiße Mann mit der lauten Stimme war an das Feuer am oberen Ende des Lagers zurückgekehrt, und Harka konnte nun verstehen, was er sagte. Von Schonka war anzunehmen, daß er die Worte nicht verstehen konnte, weil er die englische Sprache nicht kannte. Harka aber erfuhr aus den laut geführten Reden alles, was er zu wissen brauchte.
    Diese dreiundfünfzig Männer, die hier lagerten, gehörten zu dem, was die Weißen »Miliz« nannten. Sie waren von Beruf Holzfäller, Fallensteller, Jäger, Händler, Kundschafter, Farmer und Viehzüchter, kurz alles, was sich an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis, auf vorgeschobenem Posten, einfinden konnte, und es war ihre Absicht und Aufgabe, die Bärenbande für den »Giftmord an der Bahnvermessungsexpedition« zu bestrafen. Da sie so zahlreich und gut bewaffnet waren, stellten sie sich die Lösung dieser Aufgabe einfach und ziemlich gefahrlos vor. Sie wollten zum Pferdebach galoppieren, wo diese »Räuber- und Mörderbande« im Frühling ihre Zelte aufzuschlagen pflegte, wollten die Zelte zerstören und alles niedertrampeln und niederschießen, was sich darin rührte. Ein paar bedenkliche Gemüter kamen

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