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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ohne daß jemand kontrollieren konnte, worauf er eigentlich gezielt habe. In hundert Schritt Entfernung steckte der Pfeil im Grase. Harka holte ihn selbst und trat dann vor den Häuptling. »Ich bin bereit. Nenne mir die Ziele!«
    »Das erste wird Stark wie ein Hirsch bestimmen, der den Bund der Knaben anführt, das zweite Mattotaupa, das dritte ich selbst«, entschied Brennendes Wasser.
    Stark wie ein Hirsch besprach sich mit einigen Jungen. Das Ergebnis der Beratung war, daß einer der Knaben einen kleinen Lederball holte, auf ein Zelt kletterte und den Ball zwischen den Spitzen der Zeltstangen festklemmte. Der Junge bedeutete Harka, daß er den Pfeil aus liegender Stellung versenden solle; das Ziel war der Ball. Die Aufgabe war nicht leicht. Da es Harka nicht vorgeschrieben war, wo er sich hinzulegen habe, wählte er eine Entfernung von siebzig Schritt und eine Stelle, an der der Boden leicht anstieg. Das Hantieren mit der Waffe machte ihm jetzt schon Freude. Er legte an und schoß ohne Zögern. Der Ball wurde durchbohrt. Die Jungen lobten den Schuß mit lauten Rufen.
    Darauf trat Mattotaupa vor, ein kleines Lächeln lag um seine Mundwinkel. »Ich gehe hundertfünfzig Schritt, hebe die Hand und spreize zwei Finger. Sende mir den Pfeil so, daß ich ihn zwischen den Fingern fangen kann, Harka Büffelpfeilversender! Schieße kniend.«
    Mattotaupa bat Kluge Schlange, mit ihm zu kommen. Die beiden liefen mit genau gemessenen Schritten die angegebene Strecke. Sie blieben in den Wiesen stehen, und Mattotaupa hob die rechte Hand. Er spreizte Zeigefinger und Mittelfinger auseinander. Die Luft war sehr rein, der Morgen hell. Harka, der schon auf das rechte Knie heruntergegangen war, zielte sorgfältig und erwog genau, mit welcher Spannung der Sehne er abschießen müsse. Der Schuß war schwierig, die Entfernung groß. Harka kniff die Augen zusammen. Alle Zuschauer waren gespannt; es blieb rings ganz still. Harka schoß. Die Sehne surrte, der Pfeil flog.
    Ein heller Ruf Mattotaupas verkündete, daß das Spiel gelungen war. Ein allgemeines Freudengeschrei begrüßte Harkas Erfolg. Die Jungenschar rannte zu Mattotaupa, schnell und übermütig wie ein Rudel Füllen im Frühjahr.
    Als sie zu Mattotaupa kamen, hielt dieser die Hand mit dem Pfeil noch in die Höhe, und die Knaben konnten sehen, wie er ihn gefangen hatte: am Schaft, kurz vor den Federn, die am Schaftende angebracht waren.
    So begeistert, als ob sie alle zusammen einen Meisterschuß getan hätten, kehrte die Knabenschar zu Harka zurück. Die Spannung stieg, denn für den dritten und letzten Schuß sollte nun Brennendes Wasser das Ziel bestimmen.
    Der Häuptling ließ sich den kleinen Lederball geben, den Harka von dem Pfahl heruntergeschossen hatte, und rief Stark wie ein Hirsch herbei. »Hier! Nimm den Ball, renne umher, und wirf ihn plötzlich in die Höhe. Harka Büffelpfeilversender wird den Ball treffen.«
    Stark wie ein Hirsch lachte und blitzte Harka mit den Augen an. Er nahm den Ball, sprang kreuz und quer damit, während Harka am Platze blieb, den Bogen in der Linken, den dritten und letzten Pfeil in der Rechten. Er verschmähte es, den Pfeil schon einzulegen, obgleich er im gegebenen Augenblick sehr schnell schießen mußte. Stark wie ein Hirsch rannte umher, sprang hoch, überkugelte sich, lief weiter. Den Ball hatte er bald in der einen, bald in der anderen Hand, bald vor sich, bald hinter dem Rücken. Plötzlich, als er ein paar tolle Sprünge gemacht hatte, warf er ihn zwischen den Beinen durch nach oben; er war wohl achtzig Schritt von Harka entfernt. Harka hatte den Pfeil blitzschnell eingelegt, zielte und schoß. Der Ball wurde in dem Augenblick getroffen, als er seine Höhe erreicht hatte und den Bruchteil einer Sekunde schwebte, ehe er herabfiel.
    Der Pfeil riß den Ball noch ein Stück weiter, und dann fielen Ball und Pfeil zu Boden.
    Die Jungen jauchzten wieder laut. Stark wie ein Hirsch holte Ball und Pfeil und rannte, beides in der hoch erhobenen Hand, zu Harka heran. »Sieger! Du hast getroffen! Mein Bruder Harka Wolfstöter Bärenjäger!«
    Harka sagte kein Wort. Er gab den Bogen an den Häuptling zurück.
    Mattotaupa stand neben Brennendes Wasser und betrachtete die Waffe sehr aufmerksam. »Es ist der beste Bogen, den ich je gesehen habe. Besitzen die Männer der Siksikau noch mehr solche Waffen?«
    »Es ist der einzige dieser Art, den wir hier bei unseren Zelten haben«, antwortete Brennendes Wasser bedächtig. »Will auch Mattotaupa

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