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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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einmal damit schießen?«
    »Wenn du mir erlauben willst, Häuptling Brennendes Wasser, das Ziel selbst zu bestimmen.«
    »Das magst du tun.«
    Mattotaupa rief Harka zu: »Bringe einen Büffelhautschild und stelle dich damit dreihundert große Schritte entfernt von hier auf!«
    Der Zaubermann übersetzte Mattotaupas Worte, und Männer und Jungen wurden noch aufmerksamer. Es war eine Erregung neuer Art zu spüren, deren Grund Mattotaupa jetzt noch nicht kennen konnte, aber sie entging ihm nicht. »Dreihundert Schritt« war »ein Pfeilschuß weit«, aber nur in sagenumwobenen Fällen war ein gezielter Schuß auf eine solche Entfernung von etwa dreihundert Metern gelungen.
    »Laß dir den Sonnenschild geben!« rief der Zaubermann, wie einer plötzlichen Eingebung folgend, Harka noch nach.
    Der Junge ließ sich von der Frau des Häuptlings im Zelte die drei runden Schilde des Häuptlings aus siebenfacher Büffelhaut zeigen. Sie waren alle bunt bemalt, der eine mit dem geometrischen Sonnenmuster, dessen mittelster Kreis ein Rad mit vier Speichen darstellte. Diesen brachte Harka auf die Prärie hinaus und stellte sich in der angewiesenen Entfernung in westlicher Richtung auf. Der Vater hatte so die Sonne im Rücken und wurde nicht durch die Strahlen geblendet. Der Knabe hielt den Schild vor seine Brust und das Gesicht.
    Häuptling Brennendes Wasser und sein Sohn standen neben Mattotaupa. Alle schauten auf den Schützen. Er spannte die Sehne, und der Bogen krümmte sich. Die Elastizität der Waffe kam erst jetzt ganz zur Geltung. Unter Mattotaupas brauner Haut spielten die Muskeln. Seine Augen waren fast ganz geschlossen.
    Die Kraft des Abschusses war groß und der Flug des Geschosses so schnell, daß die Blicke ihm nicht folgen konnten. Die Spannung der Zuschauer war außerordentlich.
    Alle warteten.
    Es erklang kein Ruf.
    Alle warteten weiter.
    Harka kam nicht zurück.
    Die Männer schauten einander an; der Zweifel begann sich bei ihnen zu rühren. Bei einigen kam ein Lächeln zum Vorschein, nur eben um die Mundwinkel, ein wenig bedauernd, daß das Unglaubliche nicht Wirklichkeit geworden zu sein schien. Der Pfeil hing zwar am Schild, das konnten sie erkennen, aber vielleicht war nicht genau die Mitte getroffen.
    »Kommt!« sagte der Häuptling endlich und ging mit Kluge Schlange, Krumm gehendem Wolf und drei Knaben, darunter seinem Sohne, in die Richtung, in der Harka stand. Mattotaupa blieb am Platze und wartete weiter.
    Die Gruppe mit dem Häuptling war in Harkas Nähe gelangt, als die Wartenden endlich die mehrstimmigen Freudenrufe vernahmen. »Getroffen! Getroffen!«
    Nun war kein Halten mehr. Alles eilte hin, und staunend standen Häuptling, Zaubermann und Krieger vor dem Knaben, der den runden Schild noch hielt. Der Pfeil steckte genau in der Mitte des Sonnenrades. Die Männer sahen einander an und murmelten Worte, deren Zusammenhang Mattotaupa und sein Sohn noch nicht enträtseln konnten.
    »Hole dein Pferd, Harka!« Mattotaupa nahm bei seinen Worten den Schild an sich, ohne den Pfeil zu entfernen.
    Der Junge rannte zum Dorf und galoppierte dann auf seinem Grauschimmel herbei. Der Vater gab ihm den Schild, der in der inneren Wölbung mit einer Lederschlinge zu fassen war. »Galoppiere im Kreise«, wies er ihn an. »Ich werde diesen Pfeil im Schilde mit einem anderen Pfeil wegholen.«
    Mit Handzeichen machte Mattotaupa auch den Siksikau verständlich, was er vorhabe. Die Männer wechselten wieder Blicke. Ihre Unruhe wurde größer. Harka spürte das wohl. Was ging vor? Welche Gedanken bewegten diese Krieger?
    Der Junge führte die Anweisung des Vaters aus. Er umkreiste im Galopp die Gruppe; den Schild am Arm hielt er vor Schulter und Kopf.
    Mattotaupa folgte dem Ritt mit den Augen. Plötzlich schoß er, und beide Pfeile fielen, ineinander verhakt, zu Boden.
    Harka ließ sein Pferd in Schritt fallen, nahm die Pfeile aus dem Gras auf, ohne abzusteigen, und brachte sie dem Vater zurück.
    Alles schwieg.
    Mattotaupa gab dem Schwarzfußhäuptling Waffe und Pfeile zurück.
    »Mattotaupa!« sprach Brennendes Wasser, und die merkwürdige Erregung, deren Anwachsen Mattotaupa und Harka empfunden hatten, färbte seinen Stimmklang. »Mattotaupa! Das ist ein Geheimnis! Diesen Bogen hat vor Zeiten einer unserer größten Häuptlinge geführt. Niemand weiß, woher der Bogen kam. Als unser Häuptling starb, befahl er, daß diesen Bogen der besitzen solle, der auf einen Pfeilschuß weit die Sonne treffen würde. Wir haben dieses

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