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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Prüfe sie und sage mir, welches der beste ist. Wenn du imstande bist, den besten herauszufinden und mir so zeigst, daß du mit Bogen umzugehen gelernt hast, soll einer der Bogen dein sein.«
    Harka hatte die Kombination von Zeichen und Worten des Häuptlings verstehen können und ging langsam zu der genannten Stelle, bückte sich und nahm einen der Bogen nach dem anderen prüfend zur Hand. Es waren keine Bogen für Jungen, sondern Bogen, wie Männer sie führten. Harka wurde in dem Sommer, der jetzt begann, dreizehn Jahre alt, aber er war schon 1,75 Meter groß, und obgleich er sehr schlank gewachsen war, hatte er kräftige Sehnen und Muskeln. Als er alle vier Bogen gemustert hatte, wußte er sofort, daß der letzte, den er in die Hand bekommen hatte, der beste war.
    »Dieser.«
    Der Häuptling zog die Stirnhaut hoch. »Du hast richtig geurteilt. Nun komm! Wir wollen sehen, ob du diesen Bogen spannen kannst und ob du dein Ziel zu treffen vermagst.«
    Brennendes Wasser ging mit den beiden Buben vor das Zelt hinaus. Stark wie ein Hirsch gab Harka sechs Pfeile. Die kleine Gruppe wurde von der Jugend des Zeltlagers sofort erspäht; von überall liefen die Altersgenossen des Häuptlingssohnes herbei.
    »Hole Mattotaupa!«
    Stark wie ein Hirsch flitzte davon, um den Auftrag des Vaters auszuführen. Rasch kam er mit dem Gesuchten zurück.
    Harka ging zu seinem Vater hin. »Dies ist ein Knochenbogen, aus Fischbein«, erklärte er. »Du hast mir beim Zeltfeuer schon von solchen Bogen erzählt, Vater, doch zum erstenmal in meinem Leben halte ich einen solchen Bogen in der Hand. Brennendes Wasser will mir nicht diesen Bogen schenken, sondern einen anderen, einen der drei, die er noch in seinem Zelte hat. Aber die Probe, ob ich zu treffen vermag, soll ich mit dem Knochenbogen ablegen. Ich werde drei Probeschüsse für mich verlangen, ehe ich die große Prüfung bestehe.«
    »Das ist deine Sache, Harka Steinhart.«
    »Hau.«
    Inzwischen hatten sich auch einige Krieger und sogar der Geheimnismann eingefunden. Da er bereit schien, die Verständigung zu erleichtern, bat Harka ihn: »Drei Probeschüsse für mich. Dann mag mir Brennendes Wasser die Ziele zeigen, die ich treffen soll.«
    Der Zaubermann und der Häuptling verständigten sich.
    »Zwei Probeschüsse für dich«, entgegnete Brennendes Wasser.
    Harka dachte nach, legte dann den Knochenbogen zu Füßen von Brennendes Wasser ins Gras und trat beiseite. »Mein alter Bogen ist gut genug«, sagte er leise, aber mit jenem Ton, der einen unwiderruflichen Entschluß ankündigt.
    »Warum verlangst du drei Schüsse zum Einschießen?« fragte Brennendes Wasser, ohne Ärger über das Verhalten des Knaben zu zeigen.
    »Ich muß auf jeden Schuß, den du von mir verlangen wirst, gerüstet sein. Ich muß wissen, wie weit ich mit diesem Bogen schießen kann und wie der Pfeil zu richten ist. Ich brauche drei Schüsse, ehe ich sicher bin.«
    »Das ist richtig gesprochen, und du hast auch diese Probe bestanden, Harka Bärenjäger. Nimm den Bogen. Drei Schüsse sind dein. Die Ziele der nächsten drei bestimme ich.«
    Harka holte sich daraufhin den Bogen wieder, ging zwischen den Zelten durch und sprang über den Bach, immer begleitet von der ganzen Schar, deren Aufmerksamkeit er gefunden hatte. Auf der Prärie draußen blieb er stehen. Er legte den ersten Pfeil ein und spannte den Bogen. Die wunderbare Elastizität und Leichtigkeit dieser Waffe beeindruckte ihn sogleich. Er hatte die Absicht, zunächst so weit wie möglich zu schießen. Daher spannte er die Sehne und krümmte den Bogen, so stark er vermochte, und schnellte dann ab. Die Sehne sang, der Pfeil schoß schnell durch die Luft. Aller Augen folgten der Bahn des gefiederten Geschosses.
    Stark wie ein Hirsch schnellte sich selbst wie ein Pfeil mit großem Schwung ab und rannte allen anderen Knaben voran in der Richtung des Schusses. Bald meldete das Jauchzen der Jungen, daß sie das Geschoß hinter einem Hügel im Grase gefunden hatten.
    Harka war nicht mit den anderen gelaufen. Er hatte den nächsten Pfeil eingelegt, und als die Jungen mit dem ersten zurückgekommen waren, schoß er den zweiten ab. Auf fünfzig Schritt Entfernung fuhr dieser in eine Sandanhäufung, die der Wind aufgeweht hatte. Der Pfeil blieb darin stecken, schaute aber auf der anderen Seite mit der Spitze heraus. Harka war mit dieser Probe für die Durchschlagskraft des Geschosses zufrieden. Er nahm den dritten Pfeil zur Hand. Diesen schnellte er sehr rasch ab und

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