Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
festgezaubert seien. Zum Glück rührte sich jetzt Stark wie ein Hirsch in seinen Decken. Harka begann diesen Jungen und seine Freundschaft wie einen Schutzgeist zu empfinden. Er streckte sich und schlief ein.
    Mattotaupa starrte noch ins Dunkel. Daß die Häuptlinge und Ältesten der Siksikau ihn auch nach seiner Bewährung im Kampfe noch nicht ganz als einen der Ihren betrachteten, ihn noch nicht in den Stamm aufnehmen wollten, schmerzte ihn mehr, als er seinem Sohn je eingestanden hätte. Rachewünsche gegen die, die ihn aus den Reihen der Dakota ausgestoßen hatten, schlummerten schon lange in ihm. Aber jetzt begannen sie Gestalt anzunehmen, denn er wollte alle Zungen zum Schweigen bringen, die ihn noch schmähen konnten. Er wollte den Männern der Siksikau nicht nur von seiner Unschuld erzählen. Er wollte seinen untadeligen Ruf mit dem Tode der Beleidiger beweisen. Den Augenblick, in dem ihn Tashunka-witko in Gegenwart des Schwarzfußhäuptlings ungestraft einen Verräter genannt hatte, konnte er nicht mehr vergessen.
     
     

 
Luchse in der Nacht
     
    Am Tage, ehe die beiden Jungen auf Jagd auszogen, gab es noch manches zu tun und vieles zu überlegen. Beide waren beim ersten Morgengrauen am Bach und erlebten beim Baden, wie die Sonne über den Horizont heraufstieg, wie das Wasser aufschillerte, die Zelte von Licht überstrahlt wurden und die Pferde zu grasen begannen. Als sie sich gesalbt und angekleidet hatten, saß Mattotaupa schon bei dem aufflackernden Zeltfeuer und ließ sich von der Schwarzfußfrau Fleisch zum Frühstück geben. Auf den baumlosen Grassteppen war Fleisch die Hauptnahrung. Auch die beiden Buben bekamen gleich ihr Teil und hatten es rasch hinuntergeschlungen. Während die übrigen Kinder erst zum Bache gingen, eilten Harka Wolfstöter und Stark wie ein Hirsch schon hinüber in das Häuptlingszelt. Stark wie ein Hirsch wollte seinen Vater noch einiges fragen, ehe Brennendes Wasser die große Beratung der Ältesten über den Friedensschluß mit Tashunka-witko und dessen Stamm eröffnete. Die beiden Buben kamen noch zur Zeit. Der Häuptling hatte seine reich gestickten Festkleider angelegt, aber die Adlerfederkrone noch nicht aufgesetzt.
    Brennendes Wasser sah den Jungen sofort an, daß sie eine Frage auf dem Herzen hatten, und winkte sie freundlich herbei.
    »Sprecht!«
    »Vater!« begann Stark wie ein Hirsch. »Wenn die Sonne das nächste Mal aufgeht, ziehe ich mit Harka Wolfstöter auf Jagd. Ich habe mir einen Plan gemacht. Aber wenn wir so reiten, wie ich es dir vorschlagen will, sind wir vier Tage unterwegs.«
    Der Häuptling lächelte. »Du hast immer große Gedanken, mein Sohn.«
    Stark wie ein Hirsch wurde rot. Er wußte nicht genau, ob ihn der Vater verspottete oder ernst nahm. Aber wenn er sich zurückerinnerte, so konnte er von sich selbst sagen, daß er nur selten etwas vorgeschlagen hatte, was nicht gelungen war.
    »Sprich nur weiter«, ermunterte ihn der Häuptling.
    Der Junge freute sich; er hoffte, schon gewonnenes Spiel zu haben. »Vater«, sagte er. »Wir wollen in der Richtung reiten, in der die Sonne untergeht. Dort beginnen die Berge und Wälder, und auf den Waldwiesen und an den Bergbächen wächst das Gras saftiger als hier. Die Luft ist milder, der Wind in den Tälern sanfter. Wir wollen den geschützten Platz aufsuchen, wo unsere Zelte im Winter gestanden haben. Dort werden sich jetzt Antilopen, Hirsche und Bären tummeln. Rings ist das Land der Jagdgrund der Siksikau, und kein feindlicher Krieger wird uns stören. Ich aber kenne dort jeden Baum, jede Quelle, denn wir haben schon siebenmal die Zeit von Eis und Schnee in jenen Bergen und Wäldern überdauert. Ihr Krieger seid jetzt zu den großen Büffeljagden heraus auf die freie Prärie gewandert. Für uns Knaben aber ist dort oben noch ein gutes Jagdrevier.«
    »Meinst du?«
    »Ja, Vater. Wir können unterwegs auch die beiden Biberjäger besuchen, wenn sie nach dem Winter wiedergekommen sind.«
    »Das könnt ihr. Vielleicht haben sie neue Nachrichten.«
    »Ja, ja, Vater!«
    »Gut. Wenn Mattotaupa zustimmt, werde auch ich zustimmen. Gibt es noch etwas zu besprechen?«
    »Harka Steinhart Wolfstöter hat keinen guten Bogen. Er muß einen besseren erhalten.«
    Der Häuptling lächelte wieder und winkte den Dakotajungen heran. »Du sollst einen neuen Bogen erhalten«, sprach er, »denn du hast deine Geheimniswaffe eingebüßt. Dort« ­ der Häuptling wies in den Hintergrund des Zeltes ­, »dort liegen vier Bogen.

Weitere Kostenlose Bücher