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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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auch der Wunsch, seine Mutter und seine Tochter zu sehen. Aber er wollte diesem Gefühl nicht Raum geben. Denn seitdem ihm die Rückkehr zu den Siksikau verwehrt war, hatte er sich auch sagen müssen, daß er sein Kind Uinonah nicht zu sich holen konnte. Diese Hoffnung war zunichte geworden.
    Mattotaupa kannte die Gegend, die er jetzt heimlich durchstreifte. Immer scheu horchend und spähend wie das Wild, das gewohnt ist, von Wölfen und Menschen gejagt zu werden, so lief er durch die Wellentäler der Prärie. Die Sonne war gesunken, und die Nacht brach herein. Der Mond ging auf. Mattotaupa vermied sorgfältig, über mondbeschienene Strecken des Graslandes zu laufen. Er hielt sich stets im Schatten, auch wenn er dadurch zu Umwegen gezwungen war.
    Der Dakota war nicht nur schnell, er war auch ein sehr guter Dauerläufer, wie die meisten seiner Stammesgenossen. Er lief gleichmäßig und gönnte sich kaum einen Aufenthalt. Den Atem paßte er dem Rhythmus seines Laufes an. Er kam an einer Wolfshöhle vorbei, aber die Raubtiere waren unterwegs oder hielten sich versteckt. Die Präriehunde schlummerten in ihren Erdlöchern und unterirdischen Gängen. Eine Eule flog umher, ohne sich von dem Läufer beunruhigen zu lassen. Eine Gruppe von Präriehühnern, die aufgeplustert zwischen einigen Stauden beieinanderlagen, erkannte Mattotaupa rechtzeitig und umging sie, um sie nicht aufzustören. In der Nacht aufflatternde Hühner konnten die Feinde allzuleicht aufmerksam machen.
    Dann stockte er im Lauf, denn er hatte etwas gehört, und er lauschte. Ein Schmatzen drang an sein Ohr. Raubtiere mußten eine Beute gemacht haben. Das Schmatzen hörte auf. Wahrscheinlich hatten die Raubtiere den Indianer gewittert und waren jetzt auch wachsam. Mattotaupa wartete einige Sekunden. Da sah er auch schon die Schatten von drei großen Wölfen davonhuschen. Wahrscheinlich waren sie satt und durchaus nicht willens, mit einem Menschen anzubinden. Sie entflohen, und Mattotaupa setzte seinen Lauf fort. Er kam an dem Kadaver der Antilope vorüber, den die Wölfe zerrissen hatten.
    Seine wachen Gedanken waren auf nichts anderes gerichtet als auf seine Umgebung; sie waren alle eingespannt in die Vorsicht des Menschen, der sich verbergen muß. Aber ihm selbst kaum bewußt, arbeitete es in ihm, je näher er der Landschaft kam, in der er seine heimatlichen Zelte finden mußte. Die Sternbilder standen so, wie er sie um diese Jahreszeit als Knabe und Mann hier Jahr und Jahr gesehen hatte. Wenn Mattotaupa im Laufe anhielt, um wieder einmal von einer Bodenwelle aus umherzuspähen, so erblickte er im Westen das Felsengebirge, die Gipfel in ihren bestimmten Formen, wie sie zum Pferdebach herunter grüßten, und er wußte, wo jener Wald und wo jenes Hochtal im Gebirge lagen, in denen er mit seinem Sohn Harka die erste Zuflucht als Verbannter, verborgen vor allen Menschen, gefunden hatte.
    Schon erkannte er den breiten Einschnitt in der Prärie, durch den der Pferdebach sich in vielen Windungen hinschlängelte. Der Bach entsprang in den Vorbergen und war in seinem kurzem Lauf zum North-Platte wahrscheinlich auch jetzt noch wasserreicher als der Bach, an dem die Vermessungsexpedition ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Mattotaupa bog etwas ab. Er wollte nicht unmittelbar auf das Zeltdorf zusteuern.
    Dann kam der Augenblick, in dem der Verbannte das Tal betrat und den Bach sah. Im Schimmer von Mond und Sternen glitten die Wasser lautlos in ihrem Sandbett dahin. Mattotaupa hielt an. Er roch das Wasser. Vorsichtig suchte er den Schattenkegel einer Anhöhe und schlich sich, von diesem Schatten gedeckt, bis zum Ufer. Ausgetrocknet von Durst, legte er sich an dem Ufer nieder und trank in langen Zügen das Wasser, das lauwarm war und ihm doch als ein köstliches Labsal erschien. Er tauchte die Hände in das Wasser und ließ seine Pulse kühlen, und es war ihm, als habe er an dem schweigenden Wasser einen schweigenden Bruder gefunden, der ihn in der Heimat begrüßte.
    Gestärkt und ermutigt bedachte er seinen weiteren Weg, den er jetzt bachabwärts nehmen mußte. Das Prärietal, in dem der Bach sich schlängelte, wurde noch breiter. Einige Weiden und ein paar Erlen hatten sich da und dort in Gruppen am Bachufer angesiedelt. Mattotaupa benutzte das Gebüsch als Deckung. Die Strecken dazwischen legte er kriechend zurück.
    Es ging auf Mitternacht.
    Er näherte sich der Stelle, an der der Bach einen nach Süden offenen Bogen floß. Jetzt konnte er die Landschaft, die vom Bach

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