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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Antworten. Danach vermutete Mattotaupa, daß nur zwei Posten ausgestellt waren und daß sich auf dem Hügel, zu dessen Fuß er sich versteckt hielt, überhaupt kein Späher befand.
    Der Verbannte wagte es daraufhin, so rasch wie möglich auf die Bodenwelle, die er für unbesetzt hielt, hinaufzuschleichen; er wußte, wie gut der Ausblick von dort oben war. Die beiden Posten, die dem Anruf des Reiters geantwortet hatten, richteten ihre Aufmerksamkeit jetzt auf diesen, und so war der Augenblick für Mattotaupa günstig. Er gewann die Hügelkuppe und konnte von oben das ganze Zeltdorf übersehen und alle Vorgänge leicht verfolgen.
    Der Reiter war angekommen; er hatte das Tier gleich zur Pferdeherde gelenkt und sprang dort ab. Die Pferdewache kümmerte sich weiter um das Tier, während der jugendliche Reiter zum Dorfplatz inmitten der Zelte eilte. Mattotaupa erkannte den Burschen auch in der Nacht. Das war Tschetan, Anführer des Bundes der »Roten Feder«, der um einige Jahre ältere Freund von Harka Steinhart Wolfstöter. Es öffnete sich das Zauberzelt, das unmittelbar am Dorfplatz stand, zwischen dem großen Beratungszelt und dem Häuptlingszelt, in dem Mattotaupa gewohnt hatte. Mattotaupa konnte auf einer vom Mondlicht beschienenen Plane des einen Zeltes das große Viereck erkennen, Symbol der vier Weltenden, sein Zeichen. In diesem Zelte war er geboren worden, mit diesem Zelte war er gewandert, vor diesem Zelte stand noch immer die Stange mit seinen Jagd- und Kriegstrophäen. Aus dem Zauberzelte, das daneben aufgestellt war, kam der alte Zauberer heraus, Hawandschita mit seiner mageren Gestalt; das war der Mann, der Mattotaupa des Verrats beschuldigt und in dem großen Beratungszelte die Verbannung des Häuptlings durch die Ältesten durchgesetzt hatte. Mattotaupa betrachtete ihn als den Ursprung seines ganzen Elends und Unglücks, aber nie würde er auch nur den Gedanken gewagt haben, den Geheimnismann zu töten.
    Tschetan, der junge Bursche, der zu Pferd gekommen war, begrüßte den alten Zauberer ehrerbietig. Zur selben Zeit öffnete sich ein weiteres Zelt, das etwas abgelegen stand, und es kam daraus ein Mann hervor, über dessen Äußeres Mattotaupa sehr erstaunt war.
    Der Mann war mittelgroß, das Haar wuchs ihm bis über die Ohren, und er hatte einen Vollbart. Er war halb wie ein Indianer, halb wie ein weißer Präriejäger gekleidet, trug ein Lederwams, aber Mokassins. Offenbar war er jetzt schnell in die Kleidung gefahren, denn er knüpfte eben sein Wams zu. Mit raschen Schritten lief er zum Dorfplatz und stellte sich zu Hawandschita und Tschetan. Es machte den Eindruck, als ob kein anderer Mann mehr im Dorfe anwesend sei. Denn wenn die Botschaft, die von Tschetan erwartet wurde, so wichtig war, daß der Zaubermann um Mitternacht aus seinem Zelte herauskam, um den Boten zu empfangen, so hätten sich gewiß auch der Kriegshäuptling und andere angesehene Krieger sehen lassen, wenn sie in den Zelten geweilt hätten.
    Der Mann mit dem Vollbart sprach in der Stille der Nacht so laut, daß Mattotaupa den Faden des Gesprächs von seinem Platze aus ohne Mühe verfolgen konnte.
    »Vergiftet!« schrie er entsetzt. »Aber Kinder, Kinder, seid doch nicht so barbarisch und unbarmherzig! Die Leute haben doch auch nur ihren Auftrag ausgeführt und wollten sich ein bißchen was verdienen! Die armen Kreaturen!«
    Auf diesen Aufschrei antwortete auch Tschetan lauter, als er bisher gesprochen hatte. »Tom ohne Hut und Schuhe mag sich besser überlegen, was er sagt und denkt! Diese Männer sind in unser Land gekommen, ohne uns zu fragen! Sie vertreiben uns die Büffel, von denen wir allein noch leben können; und wenn wir Rechenschaft von ihnen verlangen, so schießen sie auf uns. Sie haben sich im vergangenen Sommer mit unseren Feinden, den Pani, verbündet. Wenn sie von uns sprechen, so nennen sie uns lausige Hunde! Es ist ihnen gleichgültig, wenn wir mit unseren Frauen und Kindern verhungern. Sie haben nichts vor, als uns zu verdrängen und sterben zu lassen. Darum kämpfen wir gegen sie, und darum töten wir sie, ehe sie uns vernichten. Tom wohnt jetzt in unseren Zelten. Er mag endlich lernen, wie wir zu denken und zu handeln! Oder will er lieber wieder unser Gefangener sein?«
    »Ach, Gott behüte! Ihr seid gut zu mir gewesen! Ich will euch jagen helfen, und ich will diese Witwe Scheschoka, die fleißig und sauber ist, als meine Frau betrachten, und ich will ihren Sohn Schonka in meinem Zelte haben, und ich will treu

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