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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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verstehe. Aber wenn er doch etwas wüßte? Dann hätten wir ihm eine Zuflucht geben sollen. Aus Dankbarkeit hätte uns der Rote vielleicht …?«
    »Halt den Mund mit deinen Spinnereien! Wir brauchen das Gelichter hier nicht!«
    Charlemagne strich seinen Knebelbart. »Ich kann mir schon denken, warum du so denkst, Hahnenkampfbill. Aber ich will ruhig sein, weil ich dein Freund bin.«
    »Das rate ich dir auch, Charlemagne. Halte den Mund! Oder du bist mein Freund gewesen.«
    Bill erhob sich, um sich andere Gesellschaft zu suchen. Charlemagne wurde ihm lästig. Vielleicht war es auch richtig, nach der halb durchwachten Nacht ein Schläfchen zu tun. Sonst geriet Bill noch in die Fänge von Joe und bekam eine nützliche Arbeit aufgehalst. Danach stand ihm durchaus nicht der Sinn. So suchte er sich schließlich ein sonniges Plätzchen, holte seine Decke und streckte sich aus, um die seiner Meinung nach wohlverdiente Ruhe zu genießen.
    Der Tag verlief ohne weiteren Zwischenfall. Die Männer waren jedoch schon so daran gewöhnt, aufgeschreckt und in der Arbeit gestört zu werden, daß die eingetretene äußere Ruhe sie erst recht innerlich unruhig machte. Sie vermuteten eine besondere Hinterlist, fürchteten die Vorbereitung irgendeines großen Streiches gegen ihr Lager und diskutierten heftig darüber, was sie etwa Übles zu erwarten hätten.
    Nur Joe schien von allen solchen Mutmaßungen unberührt zu bleiben. Mit Fanatismus trieb er die Arbeit voran. Er war überzeugt, daß die Route, die er jetzt bearbeiten ließ, die beste und einzig mögliche Route für die große Überlandbahn sei, deren Bau bald in Auftrag gegeben werden sollte, und er wollte keinem anderen den Ruhm lassen, in diesem unwirtlichen Gelände, mitten unter feindseligen Indianern, die Vermessungsarbeiten am weitesten vorangetrieben zu haben.
    Am Abend waren die Arbeiten so weit gediehen, daß der Ingenieur den Befehl geben konnte, das Lager am kommenden Morgen abzuschlagen und weiter gen Westen, dem Felsengebirge noch näher, zu ziehen. Die Männer fühlten sich von dieser Aussicht belebt; ihre Zuversicht keimte wieder, und die pessimistischen Propheten verstummten zunächst. An diesem Abend vor dem Aufbruch saßen die Gruppen in guter Laune zusammen, und einfallsreiche Köpfe phantasierten schon, was die künftige Überlandbahn alles zuwege bringen werde.
    Die Nacht, in der wieder Wachen ausgestellt waren, verlief so ruhig wie der vergangene Tag. Ein großer Frieden schien sich über die Einöde unter dem Sternenhimmel zu breiten.
    Als die Dämmerung heraufzog und unter dem grauerhellten Himmel ein erfrischend kühler Wind wehte, kam schon alles aus den Zelten hervor, die gleich nach dem Frühstück abgebrochen werden sollten. Die Männer liefen wieder zum Bach. Das spärlich und langsam dahinfließende Wasser war in den letzten Tagen unter der Hitze noch spärlicher und langsamer geworden.
    »Wenn wir heute bachaufwärts ziehen, wird’s vielleicht mit dem Wasser besser für uns!« meinte Henry und schöpfte.
    Bill stand mit seinem Blechgefäß regungslos am Ufer.
    »Was sinnierst du?« fragte Charlemagne. »Mach schnell! Wir wollen so bald wie möglich aufbrechen. Wir beide sollen schon vorausreiten, das weißt du doch.«
    »Weiß ich …«
    »Was stehst du da, als ob dich einer auf den Kopf gehauen hätte!«
    »Siehst du den Fisch?«
    »Was für’n Fisch?«
    »Dort ­ das ist schon der zweite, der tot runterschwimmt!« Charlemagne wurde aufmerksam.
    »Wahrhaftig! Komisch.«
    »Das ist vielleicht mehr als komisch! Vielleicht ist das ganz was andres als komisch!«
    »Wieso … du meinst doch nicht …«
    »Mein’ ich! ­ Männer!« schrie Bill. »Nicht trinken! Das Wasser kann vergiftet sein! Nicht mehr trinken! Da schwimmen tote Fische!«
    Die Leute, die tranken und sich wuschen, fuhren zurück.
    »Verdammt!« schrie Joe.
    Henry rülpste und erbrach sich, vielleicht nur aus Furcht, Bill könnte recht haben.
    »Schluß hier!« befahl der Ingenieur. »Wir brechen sofort auf. Werden sehen, wo die Region der toten Fische aufhört!«
    Die gute Laune war dahin. Von Angst und allen möglichen Vermutungen gepeinigt, schlugen die Männer die Zelte ab. Die Instrumente waren schon am Abend vorher gepackt worden. So ging das Aufladen schnell, und eine halbe Stunde später setzte sich der ganze Expeditionszug in Bewegung.
    Der Ritt ging bachaufwärts. Die hohen Ufer rechts und links schützten vor Beobachtung und behinderten gleichzeitig die Sicht. Bill und

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