Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Beschluß der Ältesten verlassen mußte. Aber er hatte sie noch einmal gesehen in jener Nacht, in der die Pani das Dorf angegriffen hatten und Mattotaupa den Seinen ungerufen zu Hilfe gekommen war. Das war die Nacht gewesen, in der Gehölz und Prärie durch die Brandpfeile der Pani in Brand gesetzt waren und Frauen und Kinder, von Flammen und Qualm bedroht, auf dem Dorfplatz standen; mitten unter ihnen die Mutter Mattotaupas, gerade aufgerichtet, unerschüttert und mit ihrer Festigkeit ein Halt für alle. Mattotaupa war stolz auf sie gewesen, und mit einer tiefen, bitteren Freude war er unter die Pani gesprungen und hatte deren Häuptling überwältigt, auf jenem Dorfplatz, dicht neben seiner Mutter, die Uinonah an der Hand hielt.
Er wollte zu ihr gehen, und gegen Morgen wollte er sich wieder verstecken und heimlich Tashunka-witko folgen, um dessen Zunge, die ihn beleidigt hatte, zum Schweigen zu bringen.
Mattotaupa glitt an dem Hang der Anhöhe, der den Zelten abgewandt war, hinunter und schlug einen Bogen um das Dorf, da er nicht bei den Pferden und Hunden vordringen wollte. Er schlich nach Norden, wo er die verhältnismäßig beste Deckung gegen die Pferdewache und den Posten im Westen hatte. Die schwierigste Aufgabe war, ungesehen über den Bach zu kommen. Mattotaupa verließ sich dabei einfach auf seine Schnelligkeit. Er huschte über den Sand, durch das seichte Wasser hindurch, zu den Zelten. Die beiden Späher achteten nicht auf das Gelände im Norden, da sie aus dieser Richtung weder Freund noch Feind erwarteten. Unbehelligt kroch Mattotaupa zwischen den ersten Zelten durch. Zwischen den Tipi fiel er den Wachen wahrscheinlich auch dann nicht auf, wenn sie ihn sahen. Als er daher beim dritten Tipi angelangt war, stand er auf und ging ruhig zum Dorfplatz und zu seinem eigenen Zelte, als ob er dazu gehöre.
Er öffnete und schlüpfte in sein Zelt hinein.
Im Inneren war es sehr dunkel. Mattotaupa, der beim Hereinkommen gar kein Geräusch gemacht hatte, hörte die Atemzüge von Schlafenden, und seine nachtgewohnten Augen erkannten die Ruhestätten der beiden Kinder und die der Mutter. In der Feuerstelle glühten einige Funken.
Die Kinder schliefen weiter, aber die Mutter Mattotaupas, deren Schlaf immer leicht war, erwachte. Sie stand auf, ohne Eile, und schlug eine der Lederdecken um sich. Dann ging sie mit unhörbaren Schritten zur Feuerstelle und fachte die Glut um ein weniges an. Als sie sich wieder aufrichtete, stand Mattotaupa vor ihr.
Er konnte im matten Schimmer der Glut ihr Gesicht sehen. Ihre Haare waren grau geworden, obgleich sie noch nicht mehr als fünfzig Sommer erlebt hatte. Sie war mager; ihre Schläfen waren eingefallen; ihre Mundwinkel herabgezogen. Ihre Augen wirkten groß, und ihr Blick blieb unzugänglich wie das Leid, das die Kraft des Menschen überwältigt.
»Mutter!«
»Mein Sohn.«
Mattotaupa rang um das nächste Wort. Er wußte, daß er nicht lange bleiben konnte, und die Kehle verengte sich ihm, als ob er ersticken müsse. Die Mutter mußte es spüren.
»Mattotaupa, wen hast du gesucht?«
»Dich.«
»Mich?«
»Ja, dich.«
»Was willst du mir sagen?«
Aus dem Verbannten brach es heraus. »Mutter, ich bin unschuldig! Nie habe ich einen Verrat begangen. Ich will euch das beweisen. Was kann ich tun, damit mir alle glauben müssen?«
Die Frau zog die Lederdecke fester um sich. Jetzt war sie es, die um das nächste Wort kämpfte. Ihre Lippen wurden trocken, sie öffnete und schloß sie. Endlich kam ihr wieder die Stimme. »Mattotaupa, es gibt einen Weg, einen einzigen.«
»Mutter! Es gibt einen Weg …!«
»Einen einzigen.«
»Sprich, so sprich!«
»Töte den, der dich betrügen und überlisten wollte. Bringe uns den Skalp des Red Jim.«
Mattotaupa erstarrte und verstummte.
»Mein Sohn! Töte ihn und bringe seinen Skalp vor die Versammlung unserer Ältesten.«
»Mutter!« Es war ein Aufschrei, aber ohne Klang, nur ein heftiger Hauch. »Das nicht. Er ist so unschuldig wie ich; und er ist mein Bruder geworden.«
Die Frau senkte die Augenlider. »Er ist dein Feind und wird dein Mörder werden, Mattotaupa. Töte ihn und kehre zurück.«
»Ich bin kein Verräter, Mutter, nie und nirgendwo auch nicht gegen meinen Bruder Jim.«
Die Frau gab darauf keine Antwort mehr. Durch ihre Gestalt lief ein Zittern wie durch einen Baum, den die Axt trifft.
»Mutter …«
Die Frau schwieg. Ihre Hände wurden eiskalt wie in jener Nacht, als Mattotaupa die Zelte verlassen hatte und
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