Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Harka ihm folgte. Daran mochte sie selbst denken, denn mit Anstrengung öffnete sie wieder die Lippen: »Wo ist Harka?«
»Bei den Siksikau. Dort wird er ein großer Krieger werden.«
»Ein Feind der Dakota.«
»Ja!« rief Mattotaupa, und diesmal war so viel Klang in dem Aufschrei, daß die Kinder sich auf ihren Lagerstätten rührten. Mattotaupa erkannte, daß seine Tochter Uinonah die Augen geöffnet hatte. Mutter und Sohn standen sich gegenüber.
»Es ist der einzige Weg«, flüsterte die Frau. »Komm zu uns und …«
»Schweig! Sag das nicht noch einmal. Ihr wollt mich zu dem Kojoten und Verräter machen, der ich nicht bin und nie sein werde?!«
Die Mutter schloß den Mund. Einen Augenblick hörte und sah sie gar nichts mehr, nicht ihren Sohn und nicht die Glut in der Feuerstelle.
Sie selbst und auch Mattotaupa waren in einem Bannkreis. Keiner hatte nach draußen gehorcht, nur jeder auf den anderen und in sich selbst hinein. Darum hatten sie nicht die galoppierenden Reiter, nicht die leisen Stimmen im Dorfe gehört.
Beide fuhren zusammen, als der Zelteingang aufgeschlagen wurde. Ein junger, schlanker Krieger schlüpfte herein, richtete sich auf und kam zum Feuer.
Es war Tashunka-witko.
Mattotaupa machte eine leichte Wendung und faßte seinen Feind ins Auge, so wie dieser ihn. Die Mutter blieb reglos beim Feuer stehen. Die Glut glühte ohne zu knistern. Uinonah rührte sich nicht auf ihrem Lager, aber ihre aufgerissenen Augen waren unverwandt auf den Vater gerichtet.
»Nicht hier«, sagte Tashunka endlich. »Komm hinaus …«
Mattotaupa hatte die Worte nicht alle gehört und ihren Sinn nicht begriffen. Das Blut hämmerte ihm im Kopf und machte seine Gedanken schwerfällig, sein Gehör stumpf. Es war nur das letzte Wort, das in sein Bewußtsein drang: hinaus! Hinaus sollte er wieder aus seinem eigenen Zelte, fort von der Mutter, fort von den Kindern, hinaus aus seinem Dorf, fort in die Fremde, in die Verlassenheit. Die Verzweiflung und der Jähzorn überwältigten ihn. In einer Erinnerung daran, daß Tashunka-witko einmal einen Kolben geschwungen und sich befreit hatte, packte er den Doppellauf der Büchse, die er bei sich trug, und schwang den Kolben hoch, um Tashunka-witkos Schädel mit einem Schlage zu zertrümmern. Der Kolben sauste herab, aber er traf nicht den Feind, der weggeglitten war. Von der Gewalt des geplanten Schlages selbst mitgerissen, wankte Mattotaupa vornüber. In demselben Augenblick packten die starken Hände Tashunkas seine Fußgelenke und rissen die Füße aus dem Stand, und wie ein stürzender Baum fiel Mattotaupa nieder und schlug dumpf auf den Boden auf. Er spürte, daß er von einem Lasso umwunden wurde, aber er war wie von Sinnen, und als er sich wehren wollte, versagten ihm die Hände den Dienst. S tumm und still lag er auf dem Gesicht; sein Mund stand halb offen. Seine Ohren wollten nicht hören, und seine Augen wollten nicht sehen.
Er selbst wußte nicht, wie lange er so lag. Um ihn geschah irgend etwas. Leise Worte wurden gesprochen, leise liefen Füße über die Decken auf dem Boden. Mattotaupa hatte die Augen geschlossen. Es sollte dunkel um ihn sein. Der Kopf schmerzte ihm, und seine Glieder wurden durch die Fesseln taub.
Auf einmal spürte er eine Berührung an der Schläfe. Wasser netzte seine Stirn. Die Hand, die an seiner Schlagader den Puls fühlte, war eine weiche und leichte Hand. Mattotaupa glaubte, daß er träume, und dachte an seine Tochter Uinonah, die er zu sich hatte holen wollen und doch nicht zu sich nehmen durfte. Er hielt die Augen geschlossen, damit der Traum länger dauern sollte. Aber nun ließ auch der Druck der Fesseln nach, und er konnte seine Glieder rühren. Er hob den Kopf und schaute auf und erblickte sein Kind. Uinonahs Gesicht war von Angst gezeichnet.
»Vater, schnell schnell. Tashunka und Untschida (=Großmutter) sind ins Zauberzelt gerufen worden. Aber lange bleiben sie dort nicht. Harpstennah habe ich hinausgeschickt. Flieh, rasch. Sie töten dich sonst!« Mattotaupa richtete sich auf. Er suchte mit den Augen seine Waffen, aber sie waren nicht mehr da. Tashunka hatte sie mitgenommen. Mit einer steifen Bewegung, als ob seine Hände gelähmt seien, strich er Uinonah über das Haar.
»Armes Kind, Harka denkt an dich. Wenn ich tot bin, kann er dich zu den Siksikau holen. Du weißt, er ist bei den Siksikau … jenseits des Missouri.«
»Vater, flieh! Schnell!« Mattotaupa zuckte zusammen.
»Und du?«
»Mich beschützt
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