Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
zu tun. Der Boden des künftigen Gemüselandes, wo noch die Strünke der verbrannten Bäume standen, mußte gelockert werden. Eva half dabei. Weil der Hang, an dem die Schmelzwasser haltlos niederrieselten, so steil war, legte sie die Beete als breite Stufen an, wo das Wasser sich stauen und dann versickern mußte. An ihren Möhren, die sie im vorigen Sommer gesät hatte, entdeckte Eva Dinge, die ihr zu denken gaben. Die Wurzeln jener Möhren, die sie so frühzeitig gesät hatte, daß sie noch im Herbst zum Blühen kamen, waren mager und zähe, die Wurzeln der zu spät gesäten aber dick und saftig. Eva beschloß, die gut Geratenen blühen zu lassen und ihre Samen im Spätsommer auszusäen. Damit aber die Ziegen nicht wieder das Gemüseland kahlfressen konnten, sollte Peter den ganzen Anbaugrund mit einem schulterhohen Zaun umhegen.
Kaum war der Zaun fertig und der kleine Hofraum vor dem Haus vom Garten abgeschlossen, brachte die Scheckin, gerade als die Sonne hinter der Henne unterging, vier gesunde Zicklein zur Welt, unter denen nur ein Böckchen war. Eine Woche danach erfreute Bleß, die Einjährige, ihre Pfleger durch ein weibliches Zicklein. Alle Sorge um Felle und Fleisch war vorbei. Wenn auch ein Teil der Milch den Zicklein überlassen werden mußte, den größten Teil des Jahres hatten die Sonnleitnerleute Milch im Überfluß. Aber der Zuwachs an Ziegen, die Peter nicht immer bewachen konnte, zwang ihn, auch den Weideplatz im Alten Steinschlag in weitem Bogen zu umzäunen. Erzverarbeitung, Töpferei und die geliebte Schmiedearbeit, alles mußte zurückstehen, bis der Zaun fertig war. An der Felswand entstand aus groben Felsbrocken und schwerem Gebälk ein niederer Stall, in dem die Tiere bei Unwetter Schutz fanden.
Eva, die Pflänzlinge für den Gemüsegarten beschaffen mußte, trug auf ihren Wanderungen ihren Buben im Rucksack mit sich. Sie war wieder gesund und kräftig. Hansl, für den sie einen Liegekorb aus Weidenruten geflochten hatte, nachdem er einmal aus der Krippe gepurzelt war, behinderte sie nicht in ihrer Arbeit. Hatte er sich an der Mutterbrust sattgetrunken, dann lag er vergnügt in seinem Korb, auf Moos und Feuerschwammlappen weich gebettet, mitten im Gartenland. Als Sonnenschutz diente ein Tannenast, den Eva neben ihm ins Erdreich steckte. Seine Augen folgten den Schmetterlingen, die von Blume zu Blume gaukelten, und den Singvögeln, die zwitschernd die Beete nach Insekten absuchten. Der Kleine machte auch an sich selbst allerlei Entdeckungen: Er fand, daß jeder Finger sich in den Mund stecken ließ; er zog die Beine herauf und versuchte bald an der linken, bald an der rechten großen Zehe zu lutschen. Er strich sich mit den Fingern über die Lippen und brummte dabei. Er schuf sich ein wunderliches Kauderwelsch, das seiner Mutter wie eine fremde Sprache vorkam. Unfaßbar war es ihr, daß Hansl den heimkehrenden Peter mit »Atja« ansprach und seinen Mund in breitem Lächeln verzog. Atja! – woher hatte er dieses Wort?
Die Fuchshunde und deren Junge beschäftigten ihn unausgesetzt. Sobald er sie sah, kroch er ihnen auf allen vieren nach; und jeder Hund hieß bei ihm einfach »Haff, haff«! Hatte er bei Tag zu viel geschlafen, dann begann er nachts seinen ganzen Wortschatz auszukramen. Und mochten die Eltern noch so müde sein, sie lauschten seinen vieldeutigen Selbstgesprächen, bis er sich in den Schlaf gelallt hatte.
Der Röhrbrunn
Im Ziergarten grenzte Peter eine Ecke für die Zicklein ab, die nicht mehr bei ihren Müttern trinken sollten. Für die kommende Heumahd schmiedete er das breitrückige Grasmesser dünner, so daß es länger scharf blieb, und gab ihm eine weit vorgreifende, halbmondförmige Krümmung, damit es die Grasbüschel besser umfassen konnte. Den Wetzstein, ein Stück Kieselschiefer, tat er in ein Bockshorn und etwas Wasser dazu.
Nach dem Heuen half er Eva bei der Gartenarbeit. Sie hatte im Frühjahr schon beim Setzen bedacht, welche Pflänzchen viel und welche weniger Wasser brauchten. Ihr Lieblingsgemüse, die Brunnenkresse, hatte sie gleich unterhalb des kleinen Teiches in der linken oberen Gartenecke eingesetzt und anschließend daran Sauerampfer und den kleinen Baldrian, in den Beeten junge Schwarzwurzeln, Bocksbart, Gundelrebe, Maßliebchen, Löwenzahn und Wegwarte; dann kamen die Möhren und die Würzkräuter, Thymian, Gundelkraut, Kümmel, Anis, Fenchel und Lauch. Die unterste, feuchteste Bodenstufe war mit sprießendem Schwadengras begrünt. Sie hatte die
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