Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Pflänzchen in großen Abständen gepflanzt, so daß deren Blattsterne sich ausbreiten konnten. Zwischen ihnen aber ging das vom Wind gesäte Unkraut so üppig auf, daß Eva mit dem Jäten kaum nachkam. Die meiste Mühe machte ihr das Gießen der durstigen Pfleglinge auf den oberen Bodenstufen, denn der Sommerregen hielt auf der sonnbestrahlten Berglehne nie lange vor, und der kleine Teich lag meist trocken. Eva mußte das Wasser vom entlegenen Moorbachfall in Töpfen herbeitragen.
Zwischen den Beeten kroch Hansl herum und schwatzte vergnügt vor sich hin. Den Eltern fiel es nicht leicht, die Sprache des Kleinen zu verstehen. »Nini« hießen die gelben Blüten des Löwenzahns, aber auch die gelben Falter und die Goldkörnchen an der Halskette der Mutter, und die Großen meinten, es bedeute »gelb«. Aber die hellblauen Blüten der Wegwarte waren auch »nini«; da mußte es wohl »schön« bedeuten. Und »nini« waren die reifen Erdbeeren – es hieß also auch so viel wie »gut«.
Waren schon die alten Füchse trotz alles Schimpfens nicht immer stubenrein, die Jungen wurden es überhaupt nicht. Und Hansl ging nie an einer Missetat vorbei, ohne »ä-!« zu sagen. »Ä-!« sagte er auch zum Lehm am Teichrand, zu schimmeligen Kastanien, zu seinen Händen, wenn er in der Erde gewühlt hatte. Aber auch unreife Erdbeeren warf er mit einem verächtlichen »Ä-!« von sich. Es waren also nicht nur selbsterfundene Namen für Dinge, sondern Urteile über das, was ihm gefiel oder mißfiel.
Als Evas größter Topf zerbrach, machte Peter zwar aus einem abgesägten, hohlen Baumstück einen Kübel, den er einstweilen mit Weidenbändern umwand, damit das Holz nicht reißen konnte. Eva hatte aber keine Freude an dem plumpen Gefäß. Der Boden quoll auf, und der Kübel wurde trotz der Reifen rissig.
Im Geißengarten hatten die Ziegen bald alles Gebüsch abgefressen, das sie erreichen konnten. Täglich mußte ihre Futterraufe mit frischgeschnittenem Grünfutter gefüllt werden, täglich mußten sie getränkt werden. Da Peter den Schmelz- und den Töpferofen wieder in Ordnung brachte und viel Arbeit hatte, sorgte Eva für die Ziegen. Die Tiere waren rührend anhänglich, weil sie ihnen auch Salz zu bringen pflegte. Peter trug sich mit dem Gedanken, die Bewässerung des Gartens in der Weise zu lösen, daß er vom Moorbachfall einen Wasserarm quer über den Alten Steinschlag bis zum Haus leitete. Vom Teich aus, den er zu einem Sammelbecken ausbauen wollte, könnte dann das ganze Gartenland berieselt werden, und Eva wäre das mühsame Wasserschleppen ein für allemal los.
Je anstrengender die Wochen waren, desto peinlicher hielt Eva an der Heiligkeit des Sonntags fest. Schon am Vortage wurde gründlich aufgeräumt und abends gebadet. Keine Schmutzarbeit durfte den Feiertag stören. Saubere Kleider wurden angezogen, Lieblingsspeisen kamen auf den Tisch. Der Besuch des Ahnlgrabes und des Sonnenbildes in den alten Wohnhöhlen war eine gemeinsame Wanderung durch die Heimat, ein Rückerinnern an die schwere Vergangenheit. Für Hansl, der abwechselnd von Vater und Mutter getragen wurde, war dieser Spaziergang ein Schwelgen in Licht, Farbe und Duft. Auch regnerische Sonntage hatten ihr Schönes. Da holte Eva die Zeichensteine und Wochenstäbe hervor und las mit Peter, wie alles gewesen war und wie gut sich alles gefügt hatte.
Für Hansl kamen schmerzensreiche Tage: seine Zähne brachen durch. Eva mußte ihn allmählich an Milchbrei gewöhnen. Sein Wimmern und Wehklagen, das jetzt seine Selbstgespräche unterbrach, verstummte nur, wenn er etwas fand, woran er die wachsenden Zähne versuchen konnte. Aus Angst, daß er einen abgenagten Holzsplitter verschlucken könnte, suchte Eva nach etwas Harmlosem, Feinfaserigem und erinnerte sich der Wurzelstöcke der weißen Schwertlilien. Ein Stück davon schabte sie sauber ab, trocknete und durchlochte es und hängte es dem Kleinen an einer langen Schnur um den Hals. Und sooft er nagen wollte, nahm er das duftende Hölzchen in den Mund und biß darauf herum.
Peter hatte inzwischen aus Raseneisenerz einen Vorrat an Eisen ausgeschmolzen. Indem er es immer wieder anglühte und klopfte, machte er es hämmerbar. Als er für Evas Wasserkübel zwei eiserne Reifen schmiedete, hielt er sich zwar genau an das Maß des Gefäßes, konnte aber nur den einen, noch glühenden Reifen aufbringen; der zweite, der längst erkaltet war, saß am Rande fest. Erst als er auch ihn wieder glühend gemacht hatte, konnte er
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