Die Hölle lacht
Schiffes.
Sie schienen zu brennen. Doch das Schiff stand nicht in Flammen. Der Zauberer im Fellumhang streckte unbewegt die Fäuste in die Luft, während seine heulenden Opfer in Massen von irgendeiner unirdischen Macht hochgehoben und über Bord geworfen wurden. In das Wasser des Shirki platschten sie, und sie brannten noch, als sie untergingen, denn das Wasser löschte die unheimlichen Flammen nicht.
»Rudert!« brüllte Tio mit Grimm und Furcht in der Stimme. »Rudert, verdammt! Etwa eine Meile flussauf liegt ein aquilonisches Wachhaus.« Immer noch starrte er auf die Niros.
Sonja‹ hielt Ausschau nach dem zweiten Rettungsboot. Nur dieses und ihr eigenes waren entkommen.
»Es sind also nur noch wir übrig«, murmelte sie. Tio antwortete nicht. Er beobachtete die Niros noch eine Weile, dann wanderte sein Blick über Desmos zu Sonja.
»Ihr habt eine schöne Figur«, stellte er gleichmütig fest.
Sonja rieb ihre mit Blutergüssen übersäten Beine und wischte sich das Blut von Armen und Brüsten. Sie zuckte die Schulter.
»Da …« Tio zog sein raues Seemannshemd aus und gab es Sonja. Statt es anzuziehen, wickelte sie es sich um die Hüfte, band die langen Ärmel über einer Hüfte zusammen und machte so einen Rock daraus.
»Könnt Ihr Euren Gürtel entbehren?«
Tio nickte. »Ich denke, mein Bauch wird mein Beinkleid auch so hochhalten. Ich würde es Euch ja anbieten, aber ich muss doch meine eigenen – ah, Ihr wisst schon – schützen.« Er öffnete den Gürtel und reichte ihn ihr. Dann blickte er zurück zur Niros.
»Alle – alle tot …«, sagte er tonlos.
Sonja blickte zu Desmos hinunter, der sich vorn im Boot aufgesetzt hatte und noch schwer nach Luft keuchte. Er schaute sie nicht an.
Nun spähte auch sie zur Niros. Es war jetzt still, und sie hatten auch bereits eine beachtliche Entfernung davon zurückgelegt, aber im Moment dachte Sonja nur an eines nicht, an das Gemetzel, auch nicht an Tio oder Desmos, sondern an – Zauberei.
Das erklärte, was geschehen war, erklärte die seltsame Furcht in der Luft.
Zauberei …
An Bord der Niros schritt Urdus gemächlich und stolz über die blutbesudelten Decks. Das Schwert hielt er in der Rechten. Auf seinen Stiefeln und dem Bart verkrustetes Blut. Rings um ihn arbeiteten seine siegreichen Banditen – fünf Dutzend, Frauen sowie Männer. Sie säuberten die Planken, reparierten Tauwerk und Segel.
Urdus blickte zum Heck hoch, wo mehrere Männer an der Reling standen, vorsichtig ein Tau hielten und es über den Schiffsrumpf verfolgten.
»Ist das Ruder gerichtet?« brüllte er.
»Es kann nicht mehr lange dauern!« rief einer der Männer zurück.
Urdus lächelte zufrieden. Er schaute über den breiten grauen Shirki. Die paar in den zwei Booten geflüchteten Überlebenden waren nicht mehr zu sehen. Er blickte zur Insel und vermeinte dort weitere Verbannte zu sehen, die sich versammelt hatten, um einen neuen Versuch zu unternehmen, das Schiff an sich zu bringen, es jedoch vielleicht nicht wagten aus Furcht, es könnte sie das gleiche Schicksal treffen wie ihre Kameraden. Ein Schicksal, das Athu auf sie herabbeschworen hatte.
Athu …
Urdus’ Männer warfen die Toten über Bord, und das wiederum lockte erneut die Krokodile und Schlangen herbei. Wie nie zuvor konnten sie sich mit Menschenfleisch voll fressen.
Aus den Kabinen der Niros kamen Plünderer mit ihrer Beute: Geschmeide, Halsketten, Armbänder, Broschen und edelsteinbesetzte goldene Gürtel; Schatullen voll Gold und Silber, und ganze Truhen voll Kleinodien – der Besitz der Edelleute, und die Handelsware der Kaufleute an Bord. Die Enterer machten ihre rauen Witze und waren außer sich vor Freude über diese unerwartete Beute.
Ebenfalls vom Unterdeck kam der Shemit. Er trug eine schmucklose Truhe aus Zedernholz, nur mit Kupfer und Bronze beschlagen. Sie war verhältnismäßig groß und mit Seide gefüttert, enthielt jedoch keine Reichtümer – aber daran war Athu auch nicht interessiert.
Auf dem Mitteldeck angekommen, schaute er sich um. Er blieb abrupt stehen, als er sah, dass Urdus’ Leute die Toten über Bord warfen. Wütend ging er auf Urdus zu.
»Was tust du da?«
Urdus musterte den untersetzten Shemiten misstrauisch. »Ich mache rein Schiff.«
»Du wirfst meine Leichen weg!«
Aleil, die sich in der Nähe aufgehalten hatte, kam heran. Sie stellte sich neben Urdus und beobachtete Athu. Die anderen in Hörweite hielten inne in ihrer Arbeit und starrten erschrocken auf den
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