Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
Vom Netzwerk:
nicht um sie kümmern
     würde.
    »Wäre auch zu schön gewesen«, murmelte Küchenmeister. »Diese Irena ist ein Schwein. Aber so sind die Frauen heutzutage.«
    »Wann hat das angefangen?«
    |43| »Was?«
    »Ihre Sehnsucht, von mir geschlagen zu werden?«
    »Weiß nicht. Ich glaube, einige Wochen nachdem Sie mir klargemacht haben, dass nie etwas mit Handschellen zwischen uns laufen
     wird.«
    »Und mit Fußfesseln auch nicht.«
    »Ich war nicht Herr meiner Sinne.«
    »Ich schon.«
    »Sonst wäre ja auch nicht so eine Riesensache daraus entstanden.«
    Die Sache war winzig gewesen, fünf Minuten Frozzelei auf dem Betriebsfest. Aber beide dachten gern daran zurück. Dass das
     Mordopfer nicht der Vater des Jungen war, überraschte niemanden. Jetzt war lediglich einige Prozentpunkte wahrscheinlicher
     geworden, dass es sich bei dem Unbekannten, der die Hebamme über den Haufen gerannt hatte, um den biologischen Vater gehandelt
     hatte. Und dass er der Täter war. Was bedeutete das für Irena? Konnte es etwas Gutes bedeuten, wenn eine Frau unmittelbar
     nach der Geburt verschwand? Es gab keinen Hinweis, dass sie früher schon Mutter geworden war. Wer sagte denn, dass zwischen
     ihr und dem leiblichen Vater Harmonie bestand? Es war nicht wahrscheinlicher geworden, dass Irena noch am Leben war. Allerdings
     musste es nichts zu bedeuten haben, dass sie sich nicht um ihr Kind kümmerte. Kurz nach der Geburt waren junge Mütter nicht
     mit normalen Maßstäben zu messen.
    »Okay«, sagte Küchenmeister, »wir werden den Fall also nicht in den ersten 24 Stunden lösen. Wir brauchen einen Plan. Ich
     bin morgen bei der WG und werde nicht rasten und ruhen, bevor ich …«
    |44| »… bevor Sie die Schönheitskönigin getroffen haben, ich weiß. Sie denken aber daran, auch die anderen mit Ihrer Aufmerksamkeit
     zu beehren?«
    Mit unglaubwürdigem Pathos und der aufs Herz gelegten Hand verwies er jeden Zweifel an seiner professionellen Haltung ins
     Reich der Phantasie. Die Kommissarin entschied sich für die alte Hebamme. Wahrscheinlich gab es keine bessere Kennerin der
     dörflichen Gegebenheiten. Selbst wenn die Ankunft der Bordons nicht mehr in ihre aktive Zeit gefallen war, würde sie über
     das örtliche Netzwerk Auskunft geben können. Und bei nur durchschnittlicher Neugier würde sie viel wissen. Karolina musste
     lediglich die unvermeidliche Frage nach eigenen Kindern gleich zu Anfang hinter sich bringen. Nicht weil die Hebamme darauf
     herumreiten würde, sondern weil die Kommissarin mit dem Thema in Unfrieden lebte.
    Plötzlich wurde es zwei Tische weiter laut: »Dann lassen Sie es eben! Wenn es Sie so quält! Dann beenden wir die Sache eben
     an dieser Stelle! Ein Schnaps noch und jeder geht seiner Wege!«
    Der Mann sah nicht so aus, als würde er gewohnheitsmäßig laut werden. Unscheinbar sah er aus, nicht nur wegen seiner Hemdenkaros
     und der Popelinejacke über der Stuhllehne. Um die 60 war er, Papiere und Fotografien lagen vor ihm, auf denen seine gefaltenen
     Hände lagen, während die Daumenspitzen fortwährend gegeneinanderstießen. Der zweite Mann am Tisch war jünger. Seine Lederjacke
     hatte er nicht ausgezogen. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme beherrscht und leise. Sie sahen nicht aus, als wären
     sie verfeindet. Aber momentan stand etwas zwischen ihnen.
    |45| »Nebenberufliche Bausparkassenvertreter«, murmelte Küchenmeister. »Die sind immer im Dienst. Leben von Prämien. Sollten wir
     bei uns auch einführen. Knallharte Bezahlung nach Erfolg.«
    Marvin besaß die Fähigkeit, aus dem Nichts neben dem Tisch emporzuwachsen.
    »Natürlich wollen Sie wissen, wer der Karierte ist«, behauptete er.
    »Wir müssen hier nicht essen«, stellte die Kommissarin klar.
    »Versuchen Sie’s doch!«, konterte Marvin frech. »Sie werden mit fliegenden Fahnen zurückkehren. So einen Griechen wie unseren
     Griechen haben Sie noch nicht gesehen. Was der als Retsina verkauft, kriegt man im Baumarkt als Sekundenkleber.«
    »Wie halten Sie es denn hier mit den Migranten?«, erkundigte sich Küchenmeister leutselig. »Montags diskriminieren wir den
     Balkan, Dienstag ist Afrika dran. Und mittwochs pissen wir die Schlitzaugen an. Muss man sich das so vorstellen?«
    »Ich habe mal ein Mädchen aus Kenia geküsst«, wehrte sich Marvin. »Fast jedenfalls.«
    »Und wie war’s?«
    Der Kellner starrte Karolina an.
    »Soll ich so lange rausgehen?«, bot sie gehässig an.
    Statt einer Antwort bekam sie Papier. Erst

Weitere Kostenlose Bücher