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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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begriff sie nicht, dann blätterte sie beeindruckt in der Aufstellung, die Marvin
     am Nachmittag erstellt hatte: Namen und Adressen sämtlicher Bewohner von Hammerloh, 78 an der Zahl. Die meisten hatte er sogar
     schon abgeglichen. Abgelaufene Personalausweise |46| und entzogene Führerscheine fehlten ebenso wenig wie Vorstrafen und Dorfklatsch, den er in ertragreichen Fällen grafisch veranschaulicht
     hatte. So wurde mit Hilfe von Pfeilen und Herzchen deutlich, dass Erika Leitner zwar mit ihrem Jörg verheiratet war, aber
     zwei Hausfreunde besaß, einen für Reparaturen, einen für Sex, was dadurch an Komik gewann, dass die Hausfreunde vor einem
     Jahr ihre Funktionen getauscht hatten. Nur bei Jörg Leitner hatte sich nichts geändert. Er stolperte nichtsahnend durchs Leben
     und der Groschen fiel selbst dann nicht, wenn gut meinende Informanten ihm seine Existenz als gehörnte Tranfunzel in kaum
     noch zu überbietender Deutlichkeit vor Augen führten.
    »Marvin, du bist ein Genie«, murmelte die Kommissarin. »Du bist eine Nervensäge und ein Genie. Könntest du dich nicht für
     eins von beiden entscheiden?«
    »Ein Mann muss geheimnisvoll bleiben. Die Frau darf sich nie zu sicher fühlen. Sonst geht es ihm wie Jörg Leitner. Der öffnet
     ja nicht einmal anonyme Briefe, weil seine Holde ihm verboten hat, Briefe ohne Absender zu öffnen.«
    »Bordon ist nicht der Vater des Kindes.«
    Marvin gaffte die Kommissarin an.
    »Ich sage dir das als Geste des guten Willens. Und in der Hoffnung, dass du uns jetzt in Ruhe essen lässt.«
    Überschwänglich sagte er Zurückhaltung zu, um 30 Sekunden später zurückzukehren und den Fahndern den karierten Schreier vom
     Nebentisch als Guido Landmann zu outen, Pensionär und leidenschaftlicher Sammler von Opel-Oldtimern. Angeblich standen in
     einer ausrangierten Tischlerei 18 Modelle, von denen die ältesten aus den dreißiger Jahren |47| stammten. Mit seinem Hobby hatte er es bis ins Regionalfernsehen gebracht. Einmal war ein anderer Opel-Sammler im Dorf aufgetaucht.
     Das spontane Besäufnis, das sich abends auf seine Kosten erst vor der Opel-Halle und später in der Kiesgrube abgespielt hatte,
     war unvergessen. Er war scharf auf einen Opel Blitz aus den letzten Vorkriegsjahren und hatte sein Angebot von 12.000 auf
     zuletzt 50.000 Euro erhöht. Guido Landmann hatte seinen Speichelfluss nicht verleugnet, aber verkauft hatte er doch nicht.
     Denn er brachte es nicht fertig, sich zu trennen, obwohl er mehrfach in der Fachpresse Anzeigen geschaltet hatte. Aber das
     geschah nur, wenn seine Frau ihn drängte. Sie befürchtete Vermüllung. Aber in der Halle stand kein Müll, die Wagen waren blitzblank,
     der Fußboden wurde zweimal pro Woche gefegt. In einem Museum sah es liederlicher aus. Heute war es wieder soweit: Landmann
     musste einen Interessenten, den er selbst per Anzeige hergelockt hatte, davon überzeugen, dass er nicht verkaufen würde. Kein
     Wunder, dass nicht alle Besucher amüsiert reagierten. Dieser jedoch blieb still, Kopfschütteln war die einzige Geste, mit
     der er Befremden anzeigte. Sogar das Schreien übernahm Landmann, denn wenn er auch nicht verkaufte, so reagierte er eingeschnappt,
     wenn sich das Leiden des Besuchers so sehr in Grenzen hielt, dass Landmann ihm Desinteresse unterstellte.
    Die Kommissare machten sich über Bratkartoffeln mit Hering und eine Rindsroulade her. Mehrfach erschien Marvin am Tisch, um
     neu zu bringen und alt zu holen – alles in vollendetem Schweigen. Er konnte, wenn er wollte. Schade, dass er nicht häufiger
     wollte.
    Nach dem Bezahlen brachte er zwei Skizzen an den Tisch: |48| den Weg zur alten Hebamme und zur WG. »Nur zur Sicherheit«, sagte er. »Nicht dass Sie glauben, ich würde denken, Sie seien
     zu dumm, den Weg allein zu finden.«

|49| ZWEITER TAG
11
    Küchenmeister saß schon an der Arbeit, vier Pfannkuchen mussten abgearbeitet werden. Es gab keinen Zweifel, dass er Erfolg
     haben würde. Der Kaffee war nicht ganz so gut, wie Kommissarin Wiese erwartet hatte. Sie dachte: Übertreib nicht.
    Vom Kollegen wehte ein Duft herüber, den man nicht unkommentiert lassen konnte.
    »Damit machen Sie bei der Schönheitskönigin keine Punkte«, sagte sie ihm voraus.
    »Es ist ja nicht der Duft allein. Es sind meine Augen, die Lachfältchen, der Bartwuchs, dieses Maskulin-Vertrauenerweckende.
     Ich würde auf mich abfahren.«
    Die Abfahrt verzögerte sich, weil Küchenmeister erst noch zwei Minuten durch die Morgenluft

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