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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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etwas, das ungezähmt wirkte. Diesen Mann, so jung er sein mochte, umgab eine Aura, die kein
     Fremder durchdrang. Dieser Mann zehn Jahre älter, und Karolina Wiese hätte sich in Acht nehmen müssen. Denn er war ausgesprochen
     maskulin und das auf eine selbstverständliche Weise, die keine Frau abstieß. Keine Spur von Berechnung. Weil er nicht berechnend
     war. Sie langweilte ihn schon, als sie noch dabei war, sich vorzustellen. Sie hätte seine Mutter sein können.
    »Kommissarin Karolina«, sagte er. »Und Karl Kassian. Wir könnten die Helden in einem Kinderbuch sein. Da haben die Protagonisten
     doch gern den gleichen Anfangsbuchstaben. K wie …«
    »Killer«, sagte sie lächelnd.
    »Sie verlieren keine Zeit.«
    »Weil ich gerade erkannt habe, wie viel Zeit ich schon verloren habe.«
    »Zeit kann man gar nicht verlieren. Man kann nur klug oder weniger klug mit ihr umgehen.«
    Vom Vater hatte er den Charme geerbt. Der Sohn war größer und schmaler, die Gesichtszüge herb und scharf gezeichnet. Er hatte
     sich heute Morgen rasiert, auch seine Hände waren sauber. Die Kommissarin war auf mehr Ursprünglichkeit eingestellt gewesen.
     Auch auf Dreck und Vernachlässigung. Sogar die Hunde wirkten frisch und nicht verfilzt. Er verständigte sich mit ihnen durch
     Blicke und Kopfbewegungen, |94| die so schwach waren, dass man sie nur registrierte, wenn man aufpasste.
    »Ihr Vater hat Ihnen nicht Guten Tag gesagt.«
    »Wenigstens hat er keine Steine nach mir geworfen. Man muss auch für Kleinigkeiten dankbar sein.«
    »So schlimm?«
    »Sie haben ihn doch kennengelernt. So sieht einer aus, der keine Ruhe gibt. Der eine Meinung hat, und dann geht er los und
     missioniert die Welt mit seiner Meinung. Wer seine Ruhe haben will, senkt den Kopf. Wer ihn oben behält, muss mit den Folgen
     rechnen. Ich habe meinen Kopf gerne oben. Sonst noch Fragen? Ich muss arbeiten.«
    »Sie wissen aber, wie viel Ähnlichkeit Sie mit ihm haben?« »Ach ja? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
    »Es ist schwer, gegen die Natur anzukämpfen.«
    »Aber es geht. Was ist denn die Geschichte der letzten hundert Jahre anderes als der weltweite Kampf gegen die Natur?«
    Nun wurde es ein wenig anstrengend, denn nun begann auch der junge Kassian zu missionieren. Aber er war in dem Alter, in dem
     man so reden durfte. Er durfte nur nicht vergessen, irgendwann damit aufzuhören. Deshalb brachte sie ihn auf den Fall, und
     er machte keine Zicken. Irena war nicht schwanger gewesen, das bestätigte er zuerst. Das war ihm wichtig, denn zu Irena hatte
     er Kontakt. Sie war oft in den Wäldern, suchte Pilze und Blaubeeren. Nicht nur, um Geld zu sparen, deshalb natürlich auch.
     Aber vor allem wollte sie draußen sein. Zwei-, dreimal sei sie zur Herde gekommen, immer zu Fuß, immer allein. Irena war eine
     zähe und starke Frau. Sie verließ morgens ihre Hütte und kehrte zurück, |95| wenn es dunkel wurde. Karl bestätigte, dass sie aus Rumänien stammte. Woher er das wusste? Weil er sie gefragt hatte. Wie
     sonst sollte man etwas über andere Menschen erfahren? Das waren Fragen, die Karolina an seinen Vater erinnerten. Einerseits
     klug und nahe liegend, andererseits mit einem Mehltau aus Hochmut überzogen. Worüber immer sich die Männer bekriegen mochten,
     dass sie sich so ähnlich waren, machte die Sache nicht leichter.
    »Wenn Irena eine heimliche Affäre hatte, wer käme dafür in Frage?«
    »Mein Vater.« Wie aus der Pistole geschossen. Danach begann er über eine Antwort nachzudenken. Es gab nicht viele Männer in
     Irenas Alter, ungebunden waren sie alle nicht. Wer hier keine Frau hatte, war ein Einsiedler und Eigenbrötler. So etwas hatte
     Irena selbst zu Hause, so einen brauchte sie nicht in doppelter Ausführung. Nein, niemand aus Hammerloh. Und aus der Umgebung?
     Da wurde die Auswahl größer, aber Irena war nicht der Typ, der Dorf für Dorf durchkämmen würde. Sie hatte in anderen Städten
     gelebt, sie wusste, wo die Männer lebten, die für sie in Frage kamen.
    Womit sie bei Bordon waren.
    Karl nannte ihn einen »altmodischen Mann«. In den Karpaten wäre so einer gut zurechtgekommen. Deutschland war Feindesland.
     Nicht wegen irgendwelcher Animositäten, sondern weil er hier ins 21. Jahrhundert gezogen wurde. Selbstständige Frauen waren
     faszinierend für eine Nacht mit Alkohol. Als Partnerin für Bordon? Damit wäre er nicht zurechtgekommen. Aber er lebte mit
     Irena zusammen? Weil sie sich so lange kannten, weil sie eine

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