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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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sondern am Ende. Ja, ja, ich weiß, es gibt junge Schäfer,
     es soll sogar Schäferinnen geben. Aber gucken Sie sich die doch mal an!«
    »Vorsicht, Herr Kassian. Frau im Raum!«
    »Ich meine ja gar nicht, dass sie hässlich sind. Wenn sie auch ein wenig müffeln dürften. Karl jedenfalls müffelt. Bevor er
     selbst den Raum betritt, ist sein Geruch schon drin. Aber der Junge hat so viel Potenzial. Sie hätten ihn sehen sollen, als
     er zehn war oder zwölf. Er hat nie arbeiten müssen, ihm flog alles zu. Er war hervorragend in Naturwissenschaften und ein
     begnadeter Musiker. Wenn zu seinem Talent auch noch Fleiß käme … meine Güte! Er wirft sein Leben weg. Und er weiß es! Er tut
     es, um mich zu treffen! Und hat Erfolg damit.«
    »Womit wir bei Bordon wären.«
    »Er sollte ihm gut zureden, weiter nichts.«
    »Sie erlauben, dass ich lächle.«
    »Na gut, er sollte auch etwas Druck ausüben. Ich habe ihm das freigestellt. Ich habe nur den Rahmen vorgegeben. Er sollte
     Karl klarmachen, dass er einen Fehler begeht, wenn er seine besten Jahre vertändelt.«
    »Aber Bordon, ausgerechnet Bordon!«
    »Das war ja gerade meine Idee. Jemand, der aus einer anderen Ecke kommt! Wenn ich ihm meine Freunde geschickt habe, hat er
     die für meine Agenten gehalten. Er hatte damit ja sogar Recht.«
    »Aber was soll einer wie Bordon denn machen? Das |226| ist doch klar, dass er nach zehn Minuten bei Drohungen ist. Und das mit Billigung des Vaters! Erziehung nach Gutsherrenart!«
    Kassian widersprach nicht mehr, wirkte aber auch nicht über Gebühr störrisch. Er schwieg, weil sie Recht hatte und er auf
     seinem Recht bestand, das zu tun, was er für richtig hielt.
    »Dass er den Jungen nicht anfasst, war klar«, murmelte er dann unerwartet.
    »Haben Sie ihm das klar gemacht?«
    »Weiß nicht, vielleicht nicht klar genug. Weil es mir klar war. Und Bordon war nicht dumm, sonst hätte ich doch nicht ihn
     gefragt. Bordon sollte keine verbrannte Erde hinterlassen. Das hätte ich mir doch nie verziehen.«
    »Was ist denn nun genau passiert?«
    »Mit dem Hund fing es an, am ersten Tag. Bordon hielt es für eine gute Idee, abends zur Hütte zu gehen. Die Hunde sind auf
     ihn los, er hat wohl nichts getan, um harmlos zu wirken. Vielleicht hat er sie als Bedrohung empfunden.«
    »Sie sind gut! Zwei halbe Wölfe stürzen auf Sie zu, was würden Sie denn da machen? Das Gespräch suchen?«
    Bordon hatte eine der furchtbarsten Waffen angewendet: ein Schlüsselbund, so in die Hand gelegt, dass zwischen zwei Fingern
     ein Schlüssel heraussteckte. Damit hatte er dem Hund erst die Nase abgerissen und dann die Kehle aufgeschnitten.
    »Wollen Sie wirklich sagen, dass die beiden hinterher noch miteinander geredet haben?«
    »Nicht an dem Abend. Aber dann ja, in der Tat. Seltsam, nicht wahr?«
    |227| »Die Kassians sind immer für eine Überraschung gut. Wie erklären Sie sich das? Ist Bordon mit seinem Auftrag weitergekommen?«
    »Erstmal habe ich den neuen Hund bezahlt. Ich sage das lieber gleich, bevor Sie fragen. Von wegen Rabenvater.«
    Bordon und Karl hatten sich nach dem verunglückten Start mehrfach getroffen: bei den Schafen, bei Bordon, sie waren wohl auch
     mit dem Wagen unterwegs gewesen. Aber Karl war nicht der Typ, der abends auf die Piste ging. Er ließ seine Schafe nicht aus
     den Augen – und wenn, dann nur für kurze Zeit. Die heutige Nacht verbrachten sie im Stall, sonst hätte Karl nicht hierher
     kommen können. Ein Mitarbeiter? Doch nicht Karl. Der Mitarbeiter war ja fähig, eine Nachlässigkeit zu begehen. Das hätte Karl
     nicht vertragen. Er nervte ja nicht nur den Vater mit seiner moralischen Art, er stellte an jeden anderen hohe Anforderungen.
    »Im Grunde verachtet er die Menschen.«
    »So kam er mir aber nicht vor.«
    »Er ist doch nicht dumm. Warum sollte er Sie vor den Kopf stoßen, wenn es auch auf die freundliche Tour geht? Karl verschwendet
     doch nicht seine wertvolle Energie an einen Büttel des Staats. Die bewahrt er sich für die Schafe auf.«
    »Sie meinen, er mag keine Beamten?«
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich, er meint es auch nicht persönlich. Sie kommen in den ganz großen Topf. Karl muss sein Gegenüber
     nicht erst mühsam kennenlernen, er hört ›Polizist‹, und ab in den Topf.«
    »Dann wäre er ja ziemlich beschränkt.«
    »Habe ich etwas anderes behauptet? Ich habe lediglich gesagt, dass er hochbegabt ist: in Mathematik, Physik, Biologie |228| ganz besonders. Das heißt nicht, dass er

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