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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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vorgekommen?«
    »Noch nicht.«
    Plötzlich stand Irena im Raum, das Schlagzeug brach ab und danach die anderen Instrumente. Sie wirkte ruhig und beherrscht,
     vor allem nicht betrunken.
    »Ich habe mich aus dem Haus geschlichen«, sagte sie. »Ist das in Ordnung, wenn ich mich gleich stelle?«
    Sie stand vor Küchenmeister, die Arme ausgestreckt, bereit, die Handschellen klicken zu hören. Pantomimisch schloss er die
     Fesseln mit seinen Händen und führte sie zur Tanzfläche, wo er sie zu zehn Minuten Tanz verurteilte, die Strafe sei unverzüglich
     anzutreten und könne beliebig verlängert werden.
    Karl behielt Irena im Auge, sein Trommeln fiel zarter aus. Neben der Kommissarin stritten sich junge Gäste, »hat er mir selbst
     erzählt …« hörte sie und »… den Hund auf ihn gehetzt. Sonst hätte er ja keinen neuen gebraucht.«
    Erst wusste sie nicht, wovon die Rede war, sie eilte hinaus, fand sich im Flur, ging erst in die falsche Richtung. Ev tauchte
     auf und führte die Kommissarin zum Haupteingang, wo am Schwarzen Brett Notizen und Plakate hingen, der Bus-Fahrplan und Kino-Programme
     aus der Kreisstadt. Vor allem die Fotos, nicht mehr als zwei von jedem Bewohner. Karl als Schäfer – was für ein Motiv, ein
     schwarzer Umhang, der in seiner Herde schwamm. Am Rand die Hunde, beide schwarz, jedenfalls sehr dunkel.
    »Wie alt ist das Foto?«, fragte die Kommissarin.
    »Vom letzten Jahr«, sagte Ev. Sie war die Fotografin gewesen |223| und stolz darauf. Die Kommissarin tippte auf die Hunde. »Er hat immer noch zwei Hunde, aber einer ist hell. Was ist mit dem
     zweiten dunklen passiert?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Kommen Sie, Ev, erinnern Sie sich.«
    »Ach ja, der ist tot. Deshalb musste der andere kommen. Zwei müssen sein, sonst kannst du sie nicht einkesseln.«
    »Wie ist er gestorben? Ein Unfall? Vors Auto gelaufen?«
    »Wie? Ja, ja, vors Auto gelaufen.«
    »Und in Wahrheit?«
    »Nicht vors Auto gelaufen.«
    »Nur die Wahrheit hilft uns weiter, Ev. Ohne die können wir nicht schlafen.«
    Evs erstauntes Gesicht: »Geht es Ihnen auch so?«
     
    »Wir müssen reden.«
    Kassian riss sich von den jungen Leuten los, wahrscheinlich hatte er ihnen gerade Heldentaten aus einem Reporterleben erzählt.
     Sie bat ihn auf den Flur.
    »Warum haben Sie Bordon auf Ihren Sohn gehetzt?«
    »Was habe ich? Wer sagt das denn?«
    »Beantworten Sie einfach meine Fragen, das führt uns weiter.«
    »Aber das ist Unsinn!«
    »Ich weiß, dass Bordon den zweiten Hund erschlagen hat. Wollen Sie, dass wir die Angelegenheit laut und offiziell verfolgen?«
    »Ja, das will ich!«
    Sie schätzten sich ab, sie lächelte, er murmelte:
    »Manchmal hilft Bluffen. Erzählen Sie mir bloß nicht, dass |224| Ehrlichkeit noch weiterhilft. Für Gute-Nacht-Geschichten bin ich zu alt.«
    »Wir werden mit Karl reden. Sie haben die Chance, die Widersprüche gering zu halten.«
    »Sie haben was Journalistisches an sich, wissen Sie das? Wenn man’s selber abkriegt, hört es sich nicht mehr ganz so gut an.«
    Es folgte das Hohelied auf die Liebe eines Vaters, immer wieder gestört von Gästen, die die Toilette aufsuchten und nicht
     im ersten Anlauf fanden. Bordon war der letzte Versuch gewesen, Karl zur Vernunft zu bringen. Monatelang hatte sich Kassian
     den Mund fusselig geredet, hatte ihm Geld und gute Worte angeboten, alles sollte Karl bekommen, wenn er nur endlich beginnen
     würde, etwas aus seinem Leben zu machen. Ein Studium, in einer großen Stadt, an einer renommierten Universität, am besten
     im Ausland, Paris, USA, Fernost. Nur endlich eine Aktivität, mehr als von morgens bis abends wie ein Ölgötze in der Heide
     zu stehen und 400 Schafen dabei zuzusehen, wie sie kauten und schissen und Mäh sagten.
    »Vielleicht finden Sie Schäfer ja romantisch«, sagte Kassian gequält. »Vielleicht sind sie sogar nützlich. Aber man bekommt
     eine andere Einstellung dazu, wenn der Schäfer das eigene Kind ist.«
    »Sie wollen, dass er eine junge Ausgabe von Ihnen wird.«
    »Ach was! Das stimmt doch gar nicht. So habe ich gedacht, als er gerade geboren war. Heute will ich nur, dass er etwas aus
     sich macht.«
    »Sie wissen, dass Sie einen Trumpf weniger in der Hand haben, wenn Sie selbst in der Gegend leben, die Sie ihm ausreden wollen.«
    |225| »Weiß ich. Stimmt aber wiederum nicht ganz, denn ich bin 52. Wenn er mit 52 Schäfer sein will, fahre ich ihn persönlich jeden
     Morgen zur Arbeit. Aber Schafe hüten sollte nicht am Anfang stehen,

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