Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
was das Geräusch bedeutete, und dann noch etwas länger, bis ihr die angemessene Reaktion darauf einfiel. Sie stand verschlafen auf undschlurfte zur Schlafzimmertür, bis sie merkte, dass sie nackt war. Da erinnerte sie sich plötzlich an den letzten Abend, und die Realität kehrte mit voller Wucht zurück.
Als sie sich umdrehte, war ihr Bett leer, und sie nickte.
Sie zog sich hastig ein T-Shirt über, verkehrt herum, wie sich herausstellte, und als sie die Wohnungstür öffnete, fand sie draußen ein großes, rechteckiges Paket in Weihnachtspapier. Sie holte es herein, lief schnell ans Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Dort stieg gerade ein Mann in sein Auto. Sie sah ihn nur kurz, war sich aber sicher, dass sie ihn am Abend davor im Dalriada Museum gesehen hatte: der kanadische Kurator Thomas White.
Da sie wusste, dass sie ohne Aufputschmittel nicht funktionierte, machte sie sich einen Kaffee und ging damit und mit dem Paket ins Schlafzimmer. Nach einer anständigen Dosis Koffein entfernte sie die rote und goldene Folie und lehnte den Inhalt des Pakets an den Kamin.
Es war ein Gemälde von ihr. Trotz der schmeichlerischen Freiheiten des Künstlers war sie gut zu erkennen. Sie hatte noch nie so schön ausgesehen – nicht mal ihre Mutter hätte das behaupten können (naja, vielleicht doch) – aber trotzdem war es ganz eindeutig sie.
Sie stand in einer Galerie vor einem Gemälde von Monet. Ihr Gesicht war im Profil zu sehen – sie schaute zur Seite, als würde sie auf jemanden warten. Über ihr befand sich ein Glasdach, das neben seiner allegorischen Bedeutung verriet, dass sie sich im Musée d’Orsay befand. In der Linken hielt sie eine Grußkarte, deren Aufschrift bei genauerer Betrachtung ›Bon Anniversaire‹ lautete.
Auf dem Bild trug sie eine Armbanduhr, die zwölf Uhr anzeigte.
Als sie bei einem Schluck Kaffee den Kopf in den Nacken legte, sah sie eine seltsam verzerrte Form unten links im Bild. Sie setzte die Tasse ab, stellte das Bild auf den Kaminsims und kniete sich ein Stück weit daneben auf den Boden.
Angelique lächelte und nickte, als die Form sich entzerrte. Es war die Karo-Sieben.
Sie griff zum Telefon und wählte eine Nummer. Es klingelte lange, aber sie wusste, dass sie auch am Weihnachtstag nicht geschlossen hatten. Sie wurde ein paarmal durchgestellt, bis sie sie schließlich an seine Privatnummer weiterleiteten, wo sich eine Frauenstimme meldete.
»Allô?«
»Bonjour«, sagte Angelique. »Je voudrais parler à Monsieur Dougnac, s’il vous plaît.«
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Glossar
Glossar
Old Firm Gemeinsamer Name für die beiden großen Glasgower Fußballvereine und Erzrivalen Rangers F. C. und Celtic F. C. Die Rivalität geht unter anderem darauf zurück, dass die Rangers traditionell der Verein der Protestanten und Celtic der Verein der Katholiken sind.
Glasgow Rangers Der Rangers F. C. spielt im Ibrox Stadium im Südwesten der Stadt. Die Vereinsfarbe ist blau. Spitznamen: Bears, Bluenoses, The People. Traditionell der Verein der Protestanten.
Celtic Glasgow Der Celtic F. C. spielt im Stadion Celtic Park im Stadtteil Parkhead im Osten der Stadt. Die Vereinsfarbe ist grün. Spitznamen der Fans: The Bhoys, The Hoops, The Celts. Traditionell der Verein der katholischen irischen Einwanderer.
Hogmanay Das schottische Neujahrsfest
Ian McMillan (*1931) Schottischer Fußballer, der 1958–1964 für die Glasgow Rangers spielte. Spitzname: The wee Prime Minister in Anlehnung an den damaligen Premierminister Harold Macmillan.
Charles Rennie Mackintosh (1868–1928) Schottischer Architekt, Designer und Maler. Einer der wichtigsten Vertreter der Art Nouveau in Großbritannien.
Jiminy Grille Die sprechende Grille aus dem Disney-Film Pinocchio, die dem Helden ins Gewissen redet.
Das Buch
Bankraub mit Beckett
Bei so einem Banküberfall möchte man auch mal dabei sein: Fünf Straßenakrobaten mit Clownsmasken tanzen von der Fußgängerzone bis in die Schalterhalle einer Glasgower Bank. Einer wirbelt im Salto über die Schutzabsperrung, alle haben plötzlich Waffen in der Hand, und ihr Anführer verkündet freundlich: »Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren, Sie nehmen teil an einem Banküberfall.«
Doch die Räuber sind nicht nur Akrobaten, sie haben ihrem »Publikum« auch sonst einiges zu bieten: Die Geiseln werden mit einer Theatervorführung von Warten auf Godot bespaßt, während der Safe-Computer geknackt wird; und am Ende gibt es noch ein lustiges
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