Die Homoeopathie-Luege
Wirkung offenbar nichts mit der Substanz zu tun hat. Ein Präparat der wissenschaftsbasierten Medizin, das die Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht erfüllt, hat keine Chance auf Zulassung.
Natürlich gibt es in gewissen Grenzen Ausnahmen von dieser Regel, aber die widersprechen der Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht, sondern sind dann mit den besonderen biochemischen oder immunologischen Umständen zu erklären. Jeder verantwortungsbewusste Arzt, auch wenn er zusätzlich Homöopathika einsetzt, hat die Dosis-Wirkungs-Beziehung verinnerlicht: Er wird selbstverständlich blutdrucksenkende Mittel, Antibiotika und so weiter nach diesem Prinzip verschreiben.
Wie bereits erwähnt, wird beim Herstellen eines homöopathischen Präparats die trockene oder ölige Ursubstanz zunächst verrieben und dann mehrmals nacheinander in 10er- oder 100er-Schritten, nach Hahnemanns aktuellster Vorschrift auch in 50000er-Schritten, verdünnt. Homöopathische Verdünnungen werden dann D-, C- oder LM-(auch Q-)Potenzen genannt. Eine Zahl hinter den groÃen Buchstaben gibt die Anzahl der Verdünnungsschritte an. Bei dieser Prozedur ist ab einer Verdünnung von 1/10 23 (eine 1 mit 23 Nullen) kein Wirkmolekül mehr vorhanden â gemäà der sogenannten Loschmidtâschen Zahl, die 22 Jahre nach Hahnemanns Tod ermittelt wurde. Das bedeutet: Bis zu dieser Grenze ist zumindest theoretisch eine Wirkung möglich, danach nicht mehr. Praktisch liegt die Wirkgrenze um viele Zehnerpotenzen darunter, denn selbst starke Gifte müssen in einer gewissen Mindestkonzentration eingenommen werden, um im Organismus in so nennenswerten Mengen an die Zielorte zu gelangen, dass sie dort eine wahrnehmbare Wirkung erzielen können â etwa um die Enden von Nervenzellen zu blockieren und so einen Herzstillstand auszulösen. Der Pharmakologe Hopff gibt die Grenze mit 1/1010 oder 1/10000000000 an, das ist so viel wie der Inhalt eines Fingerhuts verteilt auf die Gesamtmenge an Glühwein, die in Bayern im Jahr 2010 getrunken wurde.
Laut Organon liegt im ersten Dynamisations-Grad die Konzentration der Wirksubstanz bei 1/50000000000, also bereits um das Fünffache unter der Wirkgrenze, die Hopff angibt â unabhängig von einer weiteren Potenzierung in 10er-, 100er- oder 50000er-Schritten. Aus der Warte der Pharmakologen ist es also bereits ab dem ersten Dynamisations-Grad vollkommen irrelevant, welche Ausgangssubstanz verwendet wird, weil ohnehin keine nennenswerte Menge davon übrig ist. Wie eine leere Wand einfach nur eine leere Wand ist, unabhängig davon, ob dort zuvor ein Rembrandt oder ein Kalenderblatt hing, so ist ein Zuckerkügelchen, in dem praktisch keine Acetylsalicylsäure, kein Quecksilber oder kein Zinkcyanid mehr enthalten ist, einfach nur noch ein Zuckerkügelchen. (Wie es sich mit pflanzlichen Ursubstanzen verhält, wird ausführlich in Kapitel 6 besprochen.)
Wenn keine Wirkung zu erwarten ist, hat das den Vorteil, dass man auch keine Nebenwirkungen befürchten muss â zumindest keine direkten. Indirekte Nebenwirkungen oder Schäden sind sehr wohl denkbar. Eine haben wir bereits eingangs erwähnt, nämlich die Gefahr, dass sinnvolle medizinische MaÃnahmen unterbleiben. Eine weitere Gefahr droht eher vom gegenteiligen Effekt: Ganz im Geiste Hahnemanns vermittelt die Homöopathie den Eindruck, dass ein Mensch nur mithilfe von Pillen gesund werden kann. Manche gehen sogar so weit, sich auch ohne konkrete Beschwerden mit homöopathischen Kügelchen »einstellen« zu lassen â sie halten eine prophylaktische Dauermedikation offenbar für notwendig. Wenn Mütter ihren Kindern bei jeder Gelegenheit homöopathische Kügelchen verabreichen, erziehen sie die Kinder zu einer Medikamentengläubigkeit, die selbst beinhart auf den Kurs der evidenzbasierten Medizin getrimmte Mütter so wohl nicht hinbekommen würden. Die Botschaft: Auch bei kleinen Wehwehchen schluckt man Medizin.
Erklärungsmodell 3: Der ganzheitliche Ansatz
Wenn es heute heiÃt, »die Homöopathie wirkt«, wird meist das »Gesamtpaket« Homöopathie gemeint. Eine Wirkung der Medikamente und eine Wirkung des »Drumherums« werden nicht sauber getrennt. Dabei kann es keine Zweifel geben, wie Hahnemann die Homöopathie verstanden hat: als eine Arzneimittellehre. Er war, wenn man es nüchtern betrachtet, kein Alternativmediziner im heutigen Sinne,
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