Die Hongkong-Papiere
Laut
sprecheranlage des Schiffs: »Ladies und Gentlemen, der Premierminister.«
Dillon hatte stirnrunzelnd zugehört. »Er ist nicht der Typ, der an Selbstmord denkt«, sagte er nachdenklich. »Deshalb wird er sich ihm ganz sicher nicht in der Menge nähern.« Er schaute hinauf zum Steuerhaus ganz oben auf dem Schiff, drei Decks über ihnen. »Das ist es. Das muß es sein.«
Er rannte zur Treppe, die nach oben führte. Hannah folgte ihm auf dem Fuße, Ferguson etwas langsamer, schwerfälliger. Dillon sah sich auf dem ersten Deck um, das verlassen war, und stürmte sogleich die Stufen zum nächsten hinauf. Als er es erreichte, sagte der Premierminister gerade: »Ich bin stolz und erfreut, Ihnen den Präsidenten der Vereinigten Staaten vorstel len zu dürfen.«
Im gleichen Moment, als Dillon das Deck betrat, sah er, wie Michael Ahern am anderen Ende die Salontür öffnete und hineinging. Ihm folgte Norah Bell, die ein Tablett trug, das mit einer weißen Serviette bedeckt war.
Der Salon war verwaist. Ahern ging langsam nach vorne und schaute durch die Fenster hinunter auf das Vorderdeck, wo der Präsident hinter dem Mikrofon stand, der britische und der israelische Premierminister rechts und links von ihm. Ahern drückte vorsichtig eines der Fenster auf und schob seine Pistole durch die Öffnung.
Die Tür ging leise hinter ihm auf, und Dillon kam herein, die Walther schußbereit im Anschlag. »Mein Gott, Michael, du gibst auch niemals auf, was?«
Ahern fuhr herum, hielt die Pistole gegen seinen Oberschen kel. »Sean Dillon, du alter Bastard.« In diesem Moment schwang seine Hand hoch.
Dillon schoß ihm zweimal ins Herz. Die beiden dicht hinter einander erfolgenden dumpfen Detonationen schleuderten Ahern nach hinten gegen die Kabinenwand. Norah Bell stand dort völlig erstarrt und hielt krampfhaft das Tablett fest.
Dillons Stimme klang völlig ruhig. »Wenn unter dieser Serviette eine Pistole liegen sollte und du die Absicht haben solltest, danach zu greifen, dann müßte ich dich töten, Norah; und das würde keinem von uns beiden gefallen. Schließlich bist du ja ein anständiges irisches Mädchen. Stell einfach das Tablett ab.«
Ganz langsam folgte Norah Bell der Aufforderung und setzte das Tablett auf den nächsten Tisch. Dillon drehte sich um, ließ die rechte Hand sinken und die Walther um seinen Zeigefinger kreisen. Er nickte Ferguson und Hannah zu. »Das war’s dann wohl, Ende gut, alles gut.«
Hinter ihm raffte Norah ihren Rock hoch, zog das Springmes ser aus dem Strumpf, ließ die Klinge herausschnellen und bohrte es Dillon in den Rücken. Dillon bäumte sich auf und ließ die Walther fallen.
»Schwein!« kreischte Norah, zog das Messer heraus und stieß erneut zu.
Dillon taumelte gegen den Tisch. Während Norah zu einem dritten Stoß ausholte, warf Hannah Bernstein sich zu Boden, hob Dillons Walther auf und schoß ihr mitten in die Stirn. Im gleichen Moment sank Dillon zusammen und rollte sich auf den Rücken.
Es war gegen Mitternacht in der London Clinic, einem der größten Krankenhäuser der Welt. Hannah Bernstein saß im Empfangsbereich auf dem ersten Stock nicht weit von Dillons Zimmer entfernt. Sie war müde, was unter den gegebenen Umständen keine Überraschung war, hatte sich aber mit schwarzem Kaffee und Zigaretten wachgehalten. Die Tür am Ende des Korridors schwang auf, und zu ihrer großen Verwun derung trat Ferguson in Begleitung des Präsidenten und Colonel Candy ein.
»Der Präsident war gerade unterwegs zur amerikanischen Botschaft«, teilte Ferguson ihr mit.
»Aber unter diesen Umständen dachte ich, ich sollte einmal hereinschauen. Wie ich hörte, sind Sie Chief Inspector Bern stein.« Der Präsident ergriff ihre Hand. »Ich bin Ihnen auf ewig dankbar.«
»Sie schulden Dillon noch viel mehr, Sir. Er war es, der alles aufgeklärt hat. Er wußte genau, daß die beiden sich an Bord befanden.«
Der Präsident trat an die gläserne Trennwand. Dillon lag in einem Krankenhausbett und war an zahlreiche Drähte ange schlossen. Neben ihm saß eine Krankenschwester.
»Wie geht es ihm?«
»Intensivstation, Sir«, sagte sie. »Die Operation hat vier Stunden gedauert. Sie hat ihn zweimal mit dem Messer erwischt.«
»Ich habe Professor Henry Bellamy vom Guy’s Hospital benachrichtigt, Mr. President«, sagte Ferguson. »Er ist der beste Chirurg in London.«
»Sehr gut.« Der Präsident nickte. »Ich bin Ihnen und Ihren Leuten
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