Die Hongkong-Papiere
kennengelernt«, begann Dillon.
»Das habe ich tatsächlich.« Sir Keith hob seine beiden Hände. Die Haut war dünn und glänzend, und an der linken Hand fehlte der Mittelfinger. »Ein Überbleibsel von einer Begegnung mit einer ME 262, dem Düsenjäger, den die Deutschen gegen Ende des Krieges so erfolgreich eingesetzt haben. Es geschah
1945. Wurde über Nordfrankreich vom Himmel geholt. Ich war in einer Lysander unterwegs, wissen Sie; ich hatte überhaupt keine Chance.« »Ja, wir haben uns Ihre Akte im Verteidigungsministerium
angeschaut«, sagte Dillon. »Daraus erfuhren wir auch von Ihrer Tätigkeit für die Special Operations Executive. Wir mußten dazu ein paar Beziehungen spielen lassen. Sie unterliegen noch immer der Geheimhaltung.«
»Tatsächlich? Lieber Himmel.« Er nahm die Tasse Tee, die Hannah ihm reichte, und lachte.
»Wir kamen auf Sie durch lan Campbells Schwester«, fuhr Hannah fort. »Lady Katherine Rose.«
»Du meine Güte, sie lebt noch? Sie war doch während des Krieges Pilotin bei der ATA. Eine wunderbare Frau.«
»Ja, sie wohnt im Pförtnerhaus des alten Loch Dhu Castle«, sagte Dillon. »Sie hat uns von Ihrer Notlandung mit der Lysander im See berichtet.«
»Das ist richtig. Es war im März ‘46. Ich war unterwegs zu einem neuen Kommando in Stornoway. Ich versuchte bei verdammt schlechtem Wetter in Ardnamurchan zu landen und verlor beim Landeanflug die Gewalt über meine Maschine und stürzte in den See ab. Ich hatte Glück, daß ich schnell aus der Kiste rauskam. Sie versank sofort.« Er löffelte Zucker in seinen Tee. »Aber weshalb interessieren Sie sich dafür?«
»Erinnern Sie sich noch, wie Sie in East Grinstead waren und feststellten, daß lan Campbell praktisch dem Tode geweiht war?« fragte Hannah.
»Das ist richtig, allerdings hörte ich später, er habe sich erholt.«
»Sie erzählten seinem Burschen, Sie wollten nach Stornoway fliegen, und boten an, die persönliche Habe seines Laird mitzunehmen und in Ardnamurchan auszuladen.«
»Auch das ist richtig. Es waren zwei Koffer. Deshalb wollte ich dort überhaupt nur landen.« Er schaute ein wenig verwirrt drein. »Aber was hat das denn mit Ihrem Besuch zu tun?«
»In einem dieser Koffer befand sich etwas geradezu Lebens
wichtiges«, sagte sie. »Etwas von nationaler Bedeutung.«
»Mein Gott, was sollte das denn gewesen sein?«
Sie zögerte. »Nun, Sir Keith, eigentlich fällt die ganze Ange
legenheit unter die Geheimhaltungsvorschriften. Wir sind sozusagen im Auftrag des Premierministers mit dieser Sache befaßt.«
»Das habe ich mir schon gedacht, wenn Ferguson seine Finger im Spiel hat.«
Dillon wandte sich an Hannah. »Mein Gott, Mädchen, er hat mehr Orden bekommen als ein Christbaum Kugeln, wurde von der Queen zum Ritter geschlagen und beendete seinen Dienst als Luftmarschall. Wer, wenn nicht er, sollte ein Geheimnis für sich behalten können?«
»Ja, Sie haben recht«, sagte sie. »Natürlich haben Sie recht.« Sie drehte sich wieder zu Sir Keith um. »Aber streng vertrau lich.«
»Sie haben mein Wort darauf.«
Und so erzählte sie ihm von dem Tschungking-Abkommen – und zwar jedes winzige Detail.
Sir Keith durchsuchte die unterste Schublade seines Schreibse kretärs, fand einen alten Schnellhefter aus Pappe und eine zusammengefaltete Landkarte. Beides brachte er hinüber zum Eßtisch.
»In dem Hefter befindet sich eine Kopie des offiziellen Unfallberichts. Es mußte eine Anhörung durchgeführt werden, wie in solchen Fällen üblich, aber ich wurde von jeglicher Schuld freigesprochen.« Er hielt erneut seine Hände hoch. »Die Verletzungen haben mich nie vom Fliegen abgehalten.«
»Und die Landkarte?« fragte Dillon.
»Sehen Sie sich die Karte an. Ein Meßtischblatt von der Gegend. Im großen Maßstab, wie Sie sehen.« Er faltete sie auseinander. Da waren Loch Dhu, das Schloß und Ardnamur chan Lodge. »Ich habe besonders sorgfältig meine Position bestimmt und eingezeichnet, nachdem die Lysander abstürzte. Sehen Sie die rote Linie, die von dem kleinen Bootssteg bei Ardnamurchan Lodge wegführt? An dieser Stelle bin ich notgelandet.«
Dillon fuhr mit dem Finger die Linie entlang. »Das erscheint mir ziemlich eindeutig.«
»Hundert Meter südlich des Stegs. Ein X m arkiert den Punkt, und ich weiß, daß ich recht habe, denn die Jungs vom Stütz punkt haben mit einem großen Greifhaken nach ihr geangelt und ein Stück vom Rumpf nach oben
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