Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
Furchen in das dunkle Holz.
Valescienn riss aus Leibeskräften daran, bevor der um einiges stärkere Oger reagieren konnte; jeder Muskel in seinem Körper war bis zum Äußersten gespannt. Der Speer bog sich zur Seite, Valescienn hob den Fuß und trat dann mit aller Kraft zu. Der Schaft des Speeres war zwar dick, zerbrach jedoch mit einem ohrenbetäubenden Krachen. Davro wich zurück und betrachtete konsterniert das zersplitterte Stück Holz in seiner Faust.
Sein Gegner grinste boshaft. »Ich würde sagen, damit wird dieser Kampf ein kleines bisschen ausgeglichener, findest du nicht?«
Der Oger ließ die Schultern hängen. »Mein Vater hat mir diesen Spieß zur Feier meines Eintritts ins Erwachsenenleben geschenkt.« Er klang fast weinerlich, während Valescienns Grinsen sich noch verstärkte.
Dann hämmerte Davro das geborstene Ende des Schaftes mitten in dieses spöttische Grinsen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Einen Augenblick hielt der Oger die zerbrochene Waffe und den darauf aufgespießten Krieger hoch, bis der Blick seines Auges auf den dicken Stamm eines Baumes ganz in der Nähe fiel. Er senkte den zerbrochenen Speer und erlaubte Valescienns Füßen, die immer noch schwach zuckten, den Boden zu berühren. Dann setzte er sich in Bewegung und klemmte den Schaft wie eine Lanze unter den Arm. Der Aufprall ließ die Erde vibrieren, und ganze Sturzbäche aus Schnee ergossen sich von den Ästen und Zweigen des Baumes. Als sich das Schneegestöber wieder beruhigt hatte, steckte der Schaft tief im Holz des Baumes, und Valescienns Leichnam hing leblos daran. Ein breiter Strom von Blut sprudelte ihm übers Kinn.
»Das war vollkommen überflüssig«, erklärte Davro dem Leichnam ernsthaft und drohte ihm sogar mit dem Finger. »Ich habe diesen Spieß gemocht.« Dann seufzte er resigniert, zog sein Schwert und stürzte sich wieder in die Schlacht. Valescienns helle Augen folgten seinem Mörder mit einem leeren, ewigen Blick.
»Irgendetwas stimmt hier nicht.«
Mithraem hob den Kopf von der blutleeren Leiche eines der Verteidiger. Es war ein Junge, dessen Hauptaufgabe darin bestanden hatte, Pfeile zu den Bogenschützen auf den Zinnen zu tragen. Mithraems Augen waren rot gerändert vom gestohlenen Lebenssaft seines Opfers, und eine dünne Blutspur tröpfelte ihm aus den Mundwinkeln, aber seine Kleidung war so makellos wie immer, und nicht eine einzige Strähne seines glatten schwarzen Haares war zerzaust. Er sah aus wie ein Edelmann, der sich für einen halb formellen Empfang gekleidet hatte, und nicht wie ein Teilnehmer an einer kurzen, blutigen Belagerung.
Jedenfalls hätte sie kurz sein sollen. Aber während die Kobolde und seine Legionen wie üblich ihre Aufgabe, die sterblichen Narren abzuschlachten, welche die Stadt verteidigten, großartig erledigten, folgten Valescienns Soldaten offenbar nicht diesem Plan. Die Verteidiger waren derart abgelenkt, dass die Mauern längst von Audriss’ Truppen hätten besetzt sein müssen. Trotzdem war nach der ersten Angriffswelle nichts von der Invasionsstreitmacht zu sehen.
Als er jetzt hinhörte, wirklich lauschte mit Sinnen, die nur entfernt dem ähnelten, was Menschen unter Gehör verstanden, registrierte Mithraem den Lärm einer erbitterten Schlacht vor den Mauern der Stadt.
Irgendetwas hatte sich verändert, und er musste herausfinden, was es war. Die untere Hälfte seines Körpers löste sich bereits in einem seltsamen rot gefärbten Nebel auf, während Mithraems scheinbar körperloser Kopf zu einem anderen seiner Art sprach.
»Die Kobolde können den Rest erledigen«, sagte er, während ihm Nebelschwaden aus dem Mund quollen, als er die Transformation fortsetzte. »Da draußen geht irgendetwas vor. Trommle so viele von den anderen zusammen, wie du nur kannst, und folge mir.«
Dann war gar nichts Menschliches mehr von ihm übrig, sondern bloß noch ein schlangengleicher Dunst, der durch die Straßen zum Haupttor zuckte und dem, was dahinter lag.
»Nebel! Nebel von den Mauern!«
Losalis fluchte wütend in seiner Muttersprache, wehrte die Klinge eines Feindes mit seinem Säbel ab und rammte dem Soldaten die rasiermesserscharfe Seite seines Schildes in die Kehle. Er ignorierte den gedämpften Aufprall, mit dem ein weiterer Leichnam in den dichten Schnee fiel, und blickte mit wachsender Sorge nach Pelapheron hinüber.
Losalis wusste dank Corvis’ Warnungen genau, mit welcher Art von Kreaturen er es heute zu tun bekommen könnte. Deshalb hatte er mehrere
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