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Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Titel: Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Generalprobe gratulierten mir die meisten aus dem Ensemble zu
meiner Vorstellung. Allmählich war ich von dem Selbstbewusstsein erfüllt, das Großmutter Hudson von mir verlangte.
    Da ich die ganze Woche nichts von Brody gehört hatte, nahm ich an, meine Mutter hätte geschafft, was sie sich vorgenommen hatte: ihn in Bezug auf mich zu entmutigen. Großmutter Hudson erwähnte auch nicht, dass er kam. Ich atmete erleichtert auf, spürte aber dennoch ein leises Bedauern. Ich mochte Brody wirklich und wünschte, wir könnten Freunde sein, sogar mehr als Freunde, Bruder und Schwester. Ich wäre ihm bestimmt eine bessere Schwester als Alison. Aber das wäre wohl fast jedes Mädchen.
    Am Tag der Aufführung wünschten mir all meine Lehrer Glück und versprachen zu kommen. So viele Leute redeten davon, dass mir ganz kribbelig im Magen wurde. Den ganzen Tag brachte ich nichts herunter, ich konnte mich nicht konzentrieren, ja nicht einmal still sitzen. Am Ende des Schultages war ich ein völliges Wrack, und als Jake mich nach Hause brachte, ging ich sofort nach oben, warf mich aufs Bett, vergrub mein Gesicht in den Kissen und schwor, das Zimmer nicht mehr zu verlassen.
    In so einer Situation verspürte ich am dringendsten den Wunsch, Mamas Stimme zu hören. Deshalb ging ich zum Telefon und rief Tante Sylvia erneut an. Wieder klingelte und klingelte das Telefon, aber niemand hob ab. Wo waren sie? Wenn sie eine Reise machen würden, hätte Mama mir davon erzählt. Warum hatte Roy nicht wieder versucht, mich anzurufen? Es war so frustrierend, nicht zu wissen, wie ich ihn erreichen konnte. Die Anspannung, die Aufregung, all der Druck und die Sorge führten dazu, dass ich mich schlapp fühlte wie ein geplatzter Ballon.

    Ich beschloss, ein heißes Bad zu nehmen, mich zu entspannen und an nichts anderes zu denken als an meine erste Zeile in dem Stück. Danach würde mir alles leicht über die Lippen gehen oder mir im Hals stecken bleiben und schnell meine Karriere beim Theater beenden.

    Nach dem Applaus dachte ich, dass Großmutter Hudson vielleicht Recht hatte. Vielleicht kannte ich meine eigenen Fähigkeiten selbst nicht, weil mir nie Gelegenheit dazu gegeben worden war. Ich zitterte so sehr, als ich zum ersten Mal auf die Bühne hinausging, während Publikum anwesend war, dass ich glaubte, das Klappern meiner Zähne würde alle meine Worte verzerren und donnerndes Gelächter hervorrufen, welches das Dach zum Einsturz bringen würde.
    Stattdessen passierte etwas völlig Unerwartetes. Ich hatte das Gefühl, wirklich an einen anderen Ort und in eine andere Zeit versetzt worden zu sein. Meine Emily Webb ergriff von meinem Körper und meiner Seele völlig Besitz. Selbst meine Stimme hörte sich anders an, und als ich mich bewegte, bewegte ich mich mit der Unschuld und Anmut, die Mr Bufurd sich vorgestellt hatte. Es half, dass ich nicht viel vom Publikum sehen konnte. Die Scheinwerfer schufen eine Lichtwand, die die Gesichter verschwimmen ließ. Es war fast, als wäre ich allein, als übte ich die Zeilen vor meinem Spiegel.
    Und als Corbette und ich uns anschauten und miteinander sprachen, sah ich ihn nicht als Corbette. Er und ich ließen sich von der Darbietung des anderen anstecken, als ob wir uns in puncto Glaubwürdigkeit, Aufrichtigkeit und dramatische Wirkung zu übertreffen versuchten.

    Als Corbette an meinem Grab kniete und seinen Text sprach, stiegen mir Tränen in die Augen, und als ich meine berühmte Abschiedsrede hielt und ihn in den Seitenkulissen ansah, sah ich Überraschung und Hochachtung in seinem Blick. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr bremsen zu können. Ich flog, griff nach den Sternen. Nach den letzten Zeilen des Erzählers brach ein donnerartiger Applaus los, und als wir nach draußen kamen, um uns zu verbeugen, erhob sich das Publikum.
    Ich konnte nicht anders, ich musste weinen. Plötzlich lief jemand zur Bühne und streckte mir einen Strauß wunderschöner roter Rosen entgegen. Ich schaute nach unten und konnte mich einen Moment lang nicht rühren.
    »Die sind für dich«, rief Corbette über den fortwährenden Applaus hinweg.
    Ich trat vor.
    Brody hielt die Blumen hoch. Sein Gesicht strahlte vor Freude. Er war also doch gekommen.
    »Danke«, sagte ich und nahm sie rasch entgegen.
    Als der Vorhang fiel, brüllten alle hinter der Bühne gleichzeitig los. Corbette umarmte mich in dem schummrigen Licht und küsste mich auf den Hals.
    »Du warst fantastisch«, flüsterte er. »Das ist dein Abend!«
    Ich wurde

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