Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
Vom Netzwerk:
ab.
    »Löst mir die Handfesseln!«, verlangte John.
    »Nein.« Chinon bedeutete seinem Begleiter, vor ihm hinauszugehen, dann verschwand er selbst mitsamt der Fackel, und die Tür fiel mit einem dumpfen Laut zu. Irgendetwas rieselte ins Stroh, als der Riegel vorgeschoben wurde, und dann herrschten Stille und Dunkelheit.
    John hob die Hände und betastete die Halszwinge. Sie war eng genug, um ihm ein Gefühl der Beklemmung zu verursachen, aber sie würgte ihn nicht. Blinzelnd spähte er in die Finsternis, aber sie war so vollkommen, dass er nichts, nicht die geringste Kontur erkennen konnte.
    Er zog die Beine an, legte die gefesselten Hände in den Schoß und wollte den Kopf auf die Knie betten, aber es ging nicht. Die Kette war zu kurz. Von neuem Schrecken erfüllt, probierte er, wie viel Spiel sie ihm überhaupt ließ. Die Antwort lautete: keines. Er konnte Kopf und Oberkörper etwa einen halben Fuß nach links oder rechts bewegen, ehe die Halszwinge ihn zu würgen begann. Behutsam stand er auf, aber kaum hatte er sich zur Hälfte aufgerichtet, spannte die Kette wiederum. Das bedeutete, er konnte nur mit dem Rücken an die eisige Wand gelehnt dasitzen. Das war die einzige Körperhaltung, die der Halsring und die Kette möglich machten. Er konnte sich weder bewegen, um der Kälte etwas entgegenzusetzen, noch um seine Notdurft zu verrichten. Jetzt begriff er auch, was Chinon zuihm gesagt hatte: Ich komme morgen wieder. Oder übermorgen. Oder vielleicht doch erst nächste Woche . Was er gemeint hatte, war wohl: Ich brauche meine Zeit nicht hier unten zu vergeuden, um dir Höllenqualen zu bereiten. Und während deine Glieder immer steifer werden und die ersten Krämpfe sich einstellen, darfst du rätseln, wann ich wohl wiederkomme, um dich vielleicht für ein Weilchen zu erlösen. Vielleicht …
    »Du verfluchter französischer Bastard.«
    Obwohl es kaum mehr als ein heiseres Flüstern war, hallte Johns Stimme unheimlich in dem niedrigen Gewölbe. Er sprach trotzdem weiter. Er murmelte jedes Schimpfwort, jede Beleidigung, die er je gelernt hatte, und er war sich nicht ganz sicher, ob er Victor de Chinon, den Dauphin oder Owen Tudor damit meinte, der einfach weitergeritten war und ihn all dem hier allein ausgeliefert hatte. Er fluchte, um seiner Furcht Herr zu werden, um sich von Hunger, Durst und Kälte abzulenken und vor allem, damit er nicht anfing zu heulen. Denn er wusste, das durfte er nicht. Er musste hart gegen sich selbst bleiben, wenn er hier nicht innerhalb kürzester Zeit zerbrechen wollte.
    Das klang vernünftig, und er klammerte sich an den Vorsatz, denn Vernunft war seit jeher etwas gewesen, das ihm Trost und Sicherheit verleihen konnte.
    Der Soldat, der am nächsten Morgen kam, um ihm ein Stück Brot und einen Becher Wasser zu bringen, fand einen von Muskelkrämpfen geschüttelten, aber gefassten Gefangenen vor.
    Fasziniert starrte John auf die mageren Gaben. Langsam streckte er die gefesselten Hände nach dem Becher aus. Nur die Linke konnte er gebrauchen, und ihm graute davor, das Gefäß könne seinen gefühllosen Fingern entgleiten und seinen Inhalt ins Stroh ergießen. Doch die Finger gehorchten. Er nahm einen tiefen Zug. Es war ein paradiesisches Gefühl, das Wasser seine ausgedörrte Kehle hinabrinnen zu fühlen, und er hatte den Becher zur Hälfte geleert, ehe er sich zusammennehmen konnte. Dann stellte er ihn zwischen seine Füße und sah zu dem jungen Wachsoldaten auf, der ihn ausdruckslos betrachtete.
    »Wäret … wäret Ihr wohl so gütig, mich für einen Momentloszuketten? Nur ganz kurz. Nur dass ich einmal aufstehen und die Glieder strecken kann?« Und in eine Ecke pinkeln, fügte er in Gedanken hinzu.
    Der Wachsoldat schien nicht grundsätzlich abgeneigt. »Was kriege ich dafür?«
    John schüttelte bedauernd den Kopf. Als er nach Frankreich zurückgekehrt war, hatte er noch sage und schreibe acht Pennys besessen, und selbst diese magere Beute hatte Chinon sich nicht entgehen lassen. »Ich appelliere an Eure christliche Barmherzigkeit.«
    Zur Antwort bekam er einen Tritt ins Gesicht, der ihm die Nase brach.
    »Barmherzigkeit«, hörte er den Wächter zischen, während er mühsam sein Blut hinunterwürgte. »Wann hättet ihr englischen Schweine je Barmherzigkeit für das französische Volk gezeigt?«
    Zufall oder Absicht, als er sich abwandte, stieß er mit dem rechten Fuß den Becher um.

Leeds Castle, März 1419
    D as ist sehr hübsch, Juliana.« Bischof Beaufort lächelte seiner Tochter

Weitere Kostenlose Bücher