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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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und fuhr sich mit der Linken über Hals und Nacken. »Ja. Ihr habt Recht. Ich bin ein Jammerlappen. Wie … wie ist es möglich, dass Ihr eine Liste mit den Namen unserer Gefangenen von Agincourt habt?«
    Der Bischof hob die Schultern. »Sie ist unvollständig. Ich habe jeden Edelmann und jeden Ritter nach den Namen ihrer ermordeten Gefangenen gefragt und die aufgeschrieben, an die sie sich erinnerten. Euch habe ich auch gefragt.«
    »Wirklich? Ich hab’s vergessen. Wozu wolltet Ihr das wissen?«
    »Um zu ermessen, welches Unheil Harry mit diesem Befehl angerichtet hat.«
    Raymond schaute peinlich berührt auf seine Hände hinab. Er war es nicht gewöhnt, von Beaufort Kritik an dessen königlichem Neffen zu hören, und das Thema der Gefangenen von Agincourt erfüllte ihn immer mit Unbehagen. »Wieso erinnert Ihr Euch ausgerechnet an diesen Kerl? Diesen Chinon?«
    »Weil Chinon ein Ort im Anjou ist, der in der Geschichte meiner Familie von einiger Bedeutung war. Aber das alles spielt jetzt keine Rolle. Wir müssen schnell handeln. Falls John noch lebt, zählt jeder Tag.«
    Raymond breitete die Hände aus. »Was können wir tun, wenn sie ihn uns nicht verkaufen wollen? Eine Armee aufstellen und die Loire überqueren?«
    »Nein.« Beaufort war nachdenklich.
    »Denkt Ihr, es würde etwas nützen, wenn Ihr dem Dauphin schreibt?«
    Der Bischof schnaubte angewidert. »Prinz Charles ist eine Viper. Auf ihn brauchen wir nicht zu hoffen. Aber es gibt einenMenschen, vor dem der Dauphin sich mehr fürchtet als vor dem Jüngsten Gericht.«
    »Ihr meint den alten, schwachsinnigen König?«, fragte Raymond skeptisch.
    »Unsinn. Ich rede von der sagenhaften Isabeau …« Wieder brach er ab und schien tief in Gedanken versunken.
    »Wer … ist das?«, fragte Raymond zaghaft.
    Beaufort bedachte ihn mit einem Kopfschütteln. »Raymond, Raymond. Wisst Ihr denn wirklich gar nichts von Politik?«
    »Nein, Mylord. Krieg und Frauen und Pferdezucht sind die einzigen Dinge, mit denen ich mich auskenne. Also, wer ist diese Isabeau?«
    »Isabeau von Bayern. Der Wunschtraum und der Fluch ungezählter Männer. Patronin der Dichter, Gelehrten, Musiker und Scharlatane. Mutter vieler Söhne und Töchter. Ewig untreue Gemahlin des bedauernswerten schwachsinnigen Charles. Königin von Frankreich.«
    Raymond war gebührend beeindruckt. Nicht allein die Aufzählung, sondern vor allem Beauforts unverkennbar bewundernder Tonfall flößten ihm Respekt ein. »Und sie soll John helfen?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass sie es tut. Es gibt nicht gerade viele Menschen, die sie leidenschaftlicher verabscheut als ihren Sohn, den Dauphin.«
    Raymond breitete hilflos die Hände aus. »Aber … was in aller Welt soll ich ihr sagen?«
    Beaufort nahm seinen Becher in die Linke, schaute zu, wie das Pergament sich wieder einrollte und ergriff es versonnen mit der freien Hand. Ein paar Atemzüge herrschte Stille, nur unterbrochen vom leisen Rascheln der Pergamentrolle, auf die er rhythmisch mit dem Finger klopfte. Dann hob der Bischof abrupt den Kopf, und Raymond sah die dunklen Augen funkeln.
    » Ich werde mit Isabeau sprechen. Nächste Woche wäre ich ohnehin an den französischen Hof gereist. Ich ziehe meinen Besuch einfach ein paar Tage vor.«
    Raymond spürte, wie eine enorme Last von seinen Schultern wich. Er stieß hörbar die Luft aus. »Oh, ich kann Euch nicht sagen, wie dankbar ich Euch bin, Mylord. Ich weiß, dass Ihr dem Hause Waringham immer freundschaftlich verbunden wart, aber dass Ihr das für uns tut …«
    »Ihr solltet mich nicht überschätzen«, warnte der Bischof mit dem kleinen, spöttischen Lächeln, das so typisch für ihn war. »Ich will ihn genauso zurückhaben wie Ihr. Vielleicht tu ich es für England. Aber vor allem tu ich es für mich.«

Jargeau, März 1419
    W ie Ameisen schwärmten Harrys Soldaten durch die Straßen von Caen, drängten die geschlagenen Verteidiger Streich um Streich weiter ins Zentrum. Immer mehr Engländer strömten durch das gefallene Tor, trieben Männer, Frauen und Kinder vor sich her wie Vieh. Glasfenster klirrten, Dächer gingen in Flammen auf, Menschen schrien. Seite an Seite mit Somerset und Tudor kämpfte John sich von der Neustadt über den Fluss und zum Markplatz im Herzen der Altstadt vor, nie weiter als zehn Schritte hinter König Harry. Hier versuchten die Franzosen, sich zu einer letzten Verteidigung zu formieren, hier aber waren auch Frauen und Kinder hin geflüchtet, um Schutz in der Kirche zu

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